Ludwigshafen/landau Talysh//Pontos Projekt von Stefan Pohlit

Auf seiner Forschungsreise: Stefan Pohlit.
Auf seiner Forschungsreise: Stefan Pohlit.

„Der schwarze Schäfer. Eine musikalische Spurensuche vom Kaspischen ans Schwarze Meer“ ist der Titel des Talysh//Pontos Projekt von Stefan Pohlit, das am Wochenende in der Pfalz aufgeführt wird.

Stefan Pohlits Talysh//Pontos Project hat seine Premiere am Samstag, 19. November, in der Staatsphilharmonie Ludwigshafen. Ab 19.30 ist eine Einführung, um 20 Uhr beginnt das Konzert. Am Sonntag, 20. November, ist um 19.30 Uhr in der Lukaskirche im Stadtteil Horst in Landau eine weiteres Konzert – und am Montag, 21. November, folgt um 19 Uhr in der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainze ein Gesprächskonzert.

Das abendfüllende Programm geht aus Pohlits Forschungsreise in den Iran und die Türkei und seiner Zusammenarbeit mit lokalen Musikkulturen dort im Frühjahr 2022 hervor. Als „eue Musik“ aus der ethnischen Perspektive der Peripherien hat er ein Ensemble gegründet mit ausschließlich nahöstlichen Instrumenten und bekannten Namen insbesondere aus der griechisch-pontischen Musikszene. Zwei der Hauptinstrumente sind überhaupt erst in den letzten Jahren wieder entdeckt worden, ein anderes wurde speziell für das Ensemble konstruiert. Einerseits steht das Projekt als Plädoyer für Vielfalt jenseits nationaler Grenzziehungen. Andererseits führte ihn seine Forschung am Kaspischen und am Schwarzen Meer tief in einen mythologischen Komplex, der auch seine eigene Geschichte berührt.

Eigene Tonsysteme

Komposionen von Shaahin Mohajeri, Nikolaus Grill, Anastassia Zachariadou, Stefan Pohlit und aus dem ponschen Repertoire musizieren Merve Tanrikulu, ponscher Volksgesang, Anastassia Zachariadou, Kanun, Flöten, Giorgos Poulantsaklis, ponsche Lyra und byzannische Kemane, Batuhan Aydin, Kaval, Nikolaus Grill, Talesch-Tanburah, Blockflöte, Stefan Pohlit, persisches Santur/Mandal-Santur. Beratung zum Repertoire haben Armin Faridi (Talysh) und Giorgos Poulantsaklis (Pontos) geliefert, zum ponsches Griechisch Merve Tanrikulu. Filmmaterial von Stefan Pohlit (Talysh, Pontos) und Anastassia Zachariadou (Pontos) gehört auch zum Programm.

Die vorgestellte Musik hat einen eigenen Klang und eigene Tonsysteme, Stefan Pohlit setzt sich in seinem Werk „Klazomenai“ zu der Handelstadt auf einer Insel im Golf von Smyrna mit dieser für uns fremden kulturellen und musikalischen Weise auf hohem intellektuellen und musikalischen Niveau auseinander.

Der schwarze Schäfer

Er schreibt: „Siyah Galesh, der Schwarze Schäfer, beherrscht die Legenden entlang der Westseite des Kaspischen Meeres. Die dort ansässigen Talysh glauben, dass hinter seiner Maske Chidr steckt – der Grüne Mann der Sufilegenden, den die orthodoxen Christen als Heiligen Georg verehren. Als Allegorie des ewigen Lebens hat er sich der Mythologie eingeprägt – vom Gilgamesch bis nach Ephesos, durch die Bibel und den Koran bis ans Schwarze Meer.“

Der Komponist und Musikethnologe Stefan Pohlit unternahm im Frühjahr 2022 eine Forschungsreise in den Iran und an die türkische Schwarzmeerküste. Neben beeindruckenden Filmaufnahmen entstanden neue Komposionen in Zusammenarbeit mit der lokalen Musikszene, die direkt aus der Folklore schöpfen. Das Instrumentarium des Talysh//Pontos Project stammt aus der nahöstlichen Tradion mit speziellem Fokus auf der griechischen Kultur des Pontos und ihrer Sprache, Romeika. Mit der byzannischen Kemáne, der Talysh-Tanburah und einem speziell für das Projekt entwickelten persischen Santur werden Instrumente vorgestellt, die erst in jüngerer Zeit wieder in die Öffentlichkeit zurückkehren. Giorgos Poulantsaklis ist in der ponschen Musikszene als Lyra-Virtuose und Musikforscher bekannt.

Auf einer imaginären Landkarte folgt das Programm den teils augenscheinlichen, teils diskreten Verbindungen zwischen den Talysh im heugen Iran und den Pontosgriechen, die unter ähnlichen Bedingungen leben, ohne direkte Beziehungen zu unterhielten. Jenseits naonaler Grenzlinien erklingt „neue“ Musik aus der Perspektive der Peripherien. Mit den Mitteln der strukturellen Anthropologie findet aus isolierten „Stämmen“ eine globale Gemeinschaft zusammen. Vor Ort gesammelte Filmaufnahmen ergänzen den narraven Aspekt. So beginnt die „Reise“ mit einem Hauskonzert, aufgenommen auf einer Alm im Kaukasus mit bedeutenden Meistern der Talysh-Musik.

Ergänzend widmet sich das in Aurag gegebene Stück des iranischen Komponisten Shaahin Mohajeri den speziellen Eigenschaften der Tonsysteme mit den Mitteln der Elektroakusk.

Verstand und Seele vereinen

Gefördert wurde das Projekt durch die Akademie der Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen des Programms Neustart Kultur, durch die Kulturförderung des Goethe-Institut (Reisekostenförderung) und durch den Musikfonds „Neustart Kultur“ und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien.

Stefan Pohlit wurde in Heidelberg geboren und wuchs in der Pfalz auf, wo er heute wieder lebt. Er erhielt ersten Kompositionsunterricht von 1992 bis 1995 von Róbert Wittinger. Ab 1995 studierte er Komposition bei Theo Brandmüller (Saarbrücken), Detlev Müller-Siemens und Roland Moser (Basel), Gilbert Amy (Lyon) und, von 1999 bis 2005, bei Wolfgang Rihm in Karlsruhe und Sandeep Bhagwati, daneben studierte er Musiktheorie bei Bernd Asmus und Peter-Michael Riehm in Karlsruhe. Seine Werke werden von renommierten Orchestern uraufgeführt und mit anerkannten Preisen bedacht.

Der SWR oder der Deutschlandfunk haben ihm ausführliche Porträts gewidmet. 2020 hieß es im Deutschlandfunk über ihn: „Auf der Suche nach Möglichkeiten, Verstand und Seele bzw. Okzident und Orient wieder zu vereinen, entwickelte Stefan Pohlit eine harmonisch dissonante, mikrotonale Musik von eigenwilliger Schönheit. 2018 musste er die Türkei verlassen und lebt seitdem wieder in Deutschland.“

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