Speyer Start ohne Schulden

Neuhofen/Waldsee. Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, hat Hermann Hesse dereinst geschrieben. Nun, viel Zauberhaftes oder gar Magie versprühte der Start der neuen Verbandsgemeinde Waldsee nicht. Historisch war die Sitzung des neuen Verbandsgemeinderats der neuen Verbandsgemeinde Waldsee im „Neuen Hof“ in Neuhofen trotzdem. Die politischen Machtverhältnisse in dem 36 Männer und Frauen starken Gremium werden beim Blick auf die Sitzordnung klar: CDU und SPD nehmen links vom Verwaltungstisch Platz. Die beiden stärksten Fraktionen haben eine Zusammenarbeit vereinbart, geben in den kommenden fünf Jahren den Ton an. Ihnen gegenüber sitzen die Freien Wähler aus Altrip und die der Verbandsgemeinde, die Grünen sowie Ralf Marohn, einziger Vertreter der FDP. Und auch der Verwaltungstisch fällt üppiger aus als sonst: Ein Verbandsbürgermeister, vier Ortsbürgermeister, drei Büroleiter und ein Beigeordneter nehmen vorne Platz. Die Fahnen der vier Ortsgemeinden hängen über der Bühne. Otto Reiland, Bürgermeister der alten Verbandsgemeinde und der Ortsgemeinde Waldsee in Personalunion, ist in seinen einleitenden Worten um Medieninhalte besorgt. „Das Thema Gebietsreform fällt jetzt weg. Jetzt müssen andere Themen die Zeitung füllen. Hoffen wir, dass es nicht der schlechte Start der Verbandsgemeinde ist.“ Gehe es nach der Anzahl der Ortsgemeinden – vier – sei die neue Verbandsgemeinde recht klein. 14, 15 seien im Land der Durchschnittswert, erläutert Reiland. Mit rund 23.500 Einwohnern liege das neue Konstrukt in dieser Kategorie aber im oberen Drittel. Um 20.01 Uhr beginnt Otto Reiland seine erste offizielle Rede als neuer Bürgermeister der neuen Verbandsgemeinde Waldsee. Peter Aures (FWG-VG) hatte dem Christdemokraten kurz vorher den Amtseid abgenommen. Aures’ letzte offizielle Amtshandlung als Beigeordneter der alten Verbandsgemeinde Waldsee. Reiland, mit 30 Jahren und einem Monat Erfahrung als Bürgermeister ausgestattet, betonte, dass das Wahlergebnis – speziell in Altrip – keine Rolle spiele. „Ich werde mich besonders anstrengen, um auch in Altrip als Bürgermeister akzeptiert zu werden.“ Die Wähler der Rheingemeinde haben ihre Kreuzchen bevorzugt bei „ihrem“ Bürgermeister Jürgen Jacob, Reilands Gegner im Wahlkampf, gemacht. Reiland erinnert daran, dass die Kommunalreform, die Grundlage für die Fusion der Orte Altrip, Neuhofen, Otterstadt und Waldsee, vom Land gewollt war. „Hier wollte sie keiner.“ Sie sei aber nicht zu verhindern gewesen. Klageverfahren hätten keine Aussicht auf Erfolg. Aber die vom Land aufgezwungenen Hochzeiten werden den Gemeinden ja auch versüßt. Allein 3,5 Millionen Euro bekommen die Gemeinden, erzählt Reiland den zahlreichen Zuhörern. Bei der Geburtsstunde der neuen Verbandsgemeinde nehmen deutlich mehr Bürger teil, als bei einer „normalen“ Ratssitzung. Sie hören aus dem Munde des neuen Verwaltungschefs, dass mittel- bis langfristig Einsparungen von 15 Prozent gemacht werden sollen – bezogen auf Personal- und Sachaufwand. Das würde in den Gemeinden mehr finanziellen Spielraum für neue Projekte oder den Abbau von Verbindlichkeiten ermöglichen. Die Aufgabe von Verwaltung und Rat sei es nun, die Vorstellungen des Gesetzgebers umzusetzen. Reiland betont dabei, dass die Entwicklung der Gemeinde nicht allein vom Bürgermeister abhänge. Auch der Rat sei gefragt. In Sachen Personal hat Reiland schon klare Vorstellungen, was die Leitung der Fachbereiche angeht. Er werde noch in dieser Woche „weitere vertiefende Gespräche“ führen. Für kommende Woche ist eine Betriebsversammlung anberaumt. Im Frühjahr 2015 soll dann der Um- und Anbau beim Waldseer Rathaus, dem Verwaltungssitz, fertig sein. Dann soll das Personal der Verwaltung unter einem Dach untergebracht sein. Von den Finanzen her sei die Verbandsgemeinde gut aufgestellt. „Die neue Verbandsgemeinde startet ohne Schulden, das dürfte einmalig im Land sein“, betont Reiland. An diesem Punkt gibt Reiland klar die Marschrichtung vor. Er werde großes Augenmerk auf die finanzielle Entwicklung der Verbandsgemeinde legen. „Mein Ziel ist dabei ganz klar: Möglichst nur das machen, was auch bezahlbar ist, ohne Schulden zu machen.“ Und ja, das gehe. Das habe man in den vergangenen zehn Jahren in Waldsee/Otterstadt demonstriert. Thematisch werden sich Rat und Verwaltung mit der Abwasserbeseitigung, der Wasserversorgung, dem Brand- und Katastrophenschutz und der Aufstellung eines neuen Flächennutzungsplans beschäftigen. Auch die Namensfrage muss noch geklärt werden. Da sei das Mainzer Innenministerium am Zug. Aber: „Die Ortsgemeinden behalten ihre Namen.“ Um 20.24 Uhr ist Reiland fertig mit seiner Antrittsrede. Er freue sich auf die anstehenden Aufgaben, die er als „größte Herausforderung in meinem bisherigen Berufsleben“ bezeichnet. Anpacken wird er die mit Wolfgang Kühn als Erstem Beigeordneten an seiner Seite. Von den 34 anwesenden Ratsmitgliedern wählten 27 den Sozialdemokraten aus Waldsee. Fünf stimmten gegen ihn, zwei enthielten sich. Einen Geschäftsbereich werde Kühn auch bekommen, sagte Reiland. Wie der genau zugeschnitten wird, muss noch entschieden werden. Kühn, der nach eigener Aussage über 30 Jahren Verwaltungserfahrung mitbringt, sieht es als wichtige Aufgabe an, die neue Verbandsgemeinde mit Leben zu erfüllen. Während er diese Worte sprach, ploppten im Hintergrund dezent, aber vernehmlich die Sektkorken. Schließlich galt es ja noch, auf die Geburt der neuen Verbandsgemeinde anzustoßen.

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