Speyer Standbeine und leere Hände

„Kille, kille“, sagt René Burjack und krault das Äffchen auf dem Bild unter dem Kinn. Das Werk hat dem 34-Jährigen schon den Vorwurf der Blasphemie eingebracht. Von den Künstlern, die sich am Sonntag an der Aktion „Offene Ateliers“ beteiligt haben, ist der Dudenhofener Street-Art-Künstler einer der spannendsten gewesen. Stellvertretend für alle hat die RHEINPFALZ drei Teilnehmer besucht.

Nicht das Jesuskind liegt im Arm der Madonna. Sondern Bubbles. Der Schimpanse, der als Michael Jacksons Haustier bekannt wurde. René Burjack – Künstlername „Buja“ – steht vor der meterhohen Druckgrafik und erzählt davon, wie sein Werk schon an seiner früheren Wirkungsstätte in Heidelberg für Aufregung gesorgt hat. „Eine Frau ist daran vorbeigelaufen, als es draußen hing, und hat sich bei meinen Künstlerkollegen beschwert. Es sei blasphemisch und müsse abgehängt werden.“ Er hätte gerne mit der Frau diskutiert und einen Zettel hinterlassen, sie solle sich melden. „Aber das ist leider nicht passiert.“ Burjack begreift sich als Street-Art- und Graffiti-Künstler. Er will die Kunst befreien, sie für die Menschen verfügbar machen, wie er sagt. Abzüge seiner Druckgrafiken hängt er schon mal an beliebigen Orten auf – „Die Leute sollen sie dann einfach mitnehmen“. Aus Pappe schneidet er Schablonen – Cut-Outs – und sprüht mit Lack vor allem bekannte Gesichter auf Leinwand, Papier oder eben Beton: Che Guevera, Marilyn Monroe, Comicheldinnen. „Meine Werke haben immer eine Eyecatcher-Figur“, erklärt der 34-Jährige, „man erkennt sie sofort“. Auf den zweiten Blick werde dann aber klar, dass etwas anders sei. Judith, die Figur aus dem Mythos, hat kein Schwert in der Hand, ihre Hände sind leer. „Der Betrachter kann selbst überlegen: Vielleicht spielt Judith ja Geige?“ Und Frida Kahlo hat René Burjack von ihrem Schmerz befreit, an dem sie seit ihrem Autounfall litt. Lässig wie eine selbstbewusste Frau in Jeans schaut Kahlo den Betrachter von der Leinwand an. Sie raucht, umschwirrt von zwei ihrer geliebten Papageien. In der Speyerer Taubengasse freut sich Gerhard Fuchs über Besuch: „Ich bin sehr redselig.“ Seine Fotoarbeiten seien das Standbein. Und seine Objektkunst sei das Spielbein, sagt der 1955 geborene Speyerer. Seine Fotoarbeiten, die Alltagsgegenstände wie Planen oder Zelte zeigen, sind oft sogenannte Décollagen: Dafür reißt oder schneidet der Künstler Stücke aus Fotos, die dann dreidimensional aus dem Bild heraushängen. Vor seinem Studium in Stuttgart hat Gerhard Fuchs eine Ausbildung zum Retuscheur gemacht. „Aber ich hatte keine Lust, mein Leben lang für Klatschmedien die Gesichter von Kaisern, Königen oder irgendwelchen anderen Luschen zu retuschieren“, erzählt er und kichert. Ansonsten ist es ihm ernst: „Auf Fotos sollte der Künstler nicht lachen, wenn er neben seinem Werk steht.“ Ernst ist es auch Bettina Kaiser. Faltblätter auf den Treppenstufen weisen den Weg zu ihrem Atelier im Alten Postweg Speyer, wo die seit 1993 freischaffende Künstlerin ihre Druckgrafiken herstellt. Ein Holzblock, auf dem ein Kindergesicht den Betrachter in hellen Lila- und Blautönen direkt anblickt, ist vermutlich das Werk, das im Raum am meisten Aufmerksamkeit auf sich zieht. „Das bin zwar auch ich, aber es nicht ganz repräsentativ für mein Schaffen“, betont Kaiser. Denn an dem Werk aus der Serie „Passion“ haben auch der Fotograf Matthias Baumann und die Künstlern Ildiko Dewes-Demmerle mitgearbeitet. Bettina Kaiser zeigt auf Druckgrafiken an der Wand, auf denen die Töne Braun und Orange dominieren. „Diese Serie ist die aktuellste“, erklärt die Künstlerin, „sie ist eine Arbeit für Amnesty International“. Die Silhouetten afrikanischer Frauen thematisieren die Migrationsbewegungen auf dem afrikanischen Kontinent. Kaiser kommt ohne Druckpresse aus, weil sie mit dünnen Weichschaumplatten arbeitet. In sie ritzt sie zum Beispiel feine Linien, die an Äste erinnern, und rollt Farbe darauf. Dann legt sie sie auf das, was bedruckt werden soll – unter anderem auch Holzstücke. Diese Technik hat die Künstlerin selbst entwickelt. Termin und Kontakt Auch am Samstag und Sonntag, 24. und 25. September, 14 bis 19 Uhr, öffnen Künstler ihre Ateliers. Weitere Informationen gibt es auf der Internetseite www.bbkrlp.de.

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