Speyer Speyerer Professor in NS-Untersuchungskommission berufen

Geschichte kann auch unbequem sein. Vor allem, wenn es um die Nazi-Zeit geht. Der Speyerer Hochschul-Professor Stefan Fisch setzt sich damit kritisch auseinander. Er wurde in die Geschichtskommission zur Erforschung der Geschichte des Bundeswirtschaftsministeriums berufen.

„Unabhängige Geschichtskommission zur Erforschung der Geschichte des Bundeswirtschaftsministeriums und seiner Vorläufer“ – das klingt zunächst trocken. Stefan Fisch, Professor für Neuere und Neueste Geschichte, insbesondere Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte an der Universität Speyer, wurde im Jahr 2011 als eines von sechs Mitgliedern in diese Kommission berufen. Wer sich mit ihm darüber unterhält, stellt fest: Sie ist alles andere als langweilig, denn es geht auch um die Aufarbeitung des dunkelsten Kapitels deutscher Geschichte, dem Nationalsozialismus. In dem Projekt beschäftigt sich Fisch mit der Zeit vor der Gründung der BRD – und hält sich in einem Forschungssemester derzeit oft im Bundesarchiv in Berlin auf. Dort wühlt er sich durch Originalakten, die teilweise in sehr schlechtem Zustand seien, und durch Mikrofiches, die er mit einem Lesegerät vor Ort studieren muss. Immer wieder ärgert er sich darüber, dass im Gegensatz zu vielen anderen Ländern in Deutschland keine Akten fotografiert werden dürften. „Es ist ein Zeitfresser sondergleichen, wenn man alles lesen und sich notieren muss.“ In diesen langen Archivsitzungen hat er zum Beispiel den Haushaltsplan des Reichsfinanzministeriums für 1936 genauer unter die Lupe genommen und festgestellt: Die Summen, die der systematischen militärischen Aufrüstung des „Dritten Reiches“ dienten, wurden damals unter Posten wie „Sicherstellung der Rohstoffversorgung der deutschen Industrie“ versteckt. Unterposten: „Ankauf von Waren“ und „Bau von Lagerstätten“. „Durch das Ermächtigungsgesetz gab es damals keine öffentliche Diskussion und auch keinerlei Kontrolle durch Presse und Parlament. Es gab ja auch keine unabhängigen Zeitungen mehr“, erzählt Fisch. „Und ab 1939 lagen auch die besetzten Gebiete in der Zuständigkeit des Reichswirtschaftsministeriums, die ausgeraubt, geplündert und ihrer Rohstoffe beraubt wurden“, so der Historiker. Von den damals verantwortlichen Personen existierten nicht mehr viele Zeugnisse, bedauert er. Denn viele Akten seien Bombenangriffen der Jahre 1943 und 1944 zum Opfer gefallen. Nur rund 25.000 Akteneinheiten aus dem damaligen Reichswirtschaftsministerium existieren deshalb noch – während es beim Reichsfinanzministerium mit etwa 250.000 Akteneinheiten besser aussehe. Dennoch: Die Kommission, die mit 35 weiteren Autoren zusammenarbeite, werde „auch die dunklen Seiten aufschreiben“, sagt Fisch. „Wir sind ja mit Bedacht eine unabhängige Kommission.“ Der geschichtsinteressierte Bundesbürger könne die Ergebnisse nach Projektende in vier dicken Büchern über Weimarer Republik, NS-Zeit, Bundesrepublik und DDR nachlesen, sagt Fisch. Doch auch sonst habe das Projekt eine Bedeutung für jeden Deutschen: Denn es sei Teil der Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit. Das Ausland beobachte sehr genau den deutschen Umgang mit der Geschichte. Und im Vergleich etwa mit Spanien, wo der Bürgerkrieg und die Franco-Diktatur noch nicht richtig verarbeitet seien, „wissen wir doch sehr genau, was im deutschen Namen an Verbrechen begangen worden ist“.

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