Speyer Poem für eine Jungfrau, die keine ist

„Pulchra es amica mea“: Der Regisseur Calixto Bieito sieht die Marienvesper als festliche Liturgie der Weiblichkeit.
»Pulchra es amica mea«: Der Regisseur Calixto Bieito sieht die Marienvesper als festliche Liturgie der Weiblichkeit.

In Mannheim steht ein barockes Musikfest bevor: Ein Jahrhundertwerk, die Marienvesper, wird den Monteverdi-Zyklus des Nationaltheaters fortsetzen. Premiere ist morgen. Auch diesmal liegen die musikalischen Geschicke der Produktion in den Händen des Ensembles „Il gusto barocco“ aus Stuttgart unter Jörg Halubeks Leitung. Inszenierung und Bühnenbild besorgt ein international hoch renommierter Szeniker, der spanische Regisseur Calixto Bieito.

In diesem Fall darf tatsächlich von musikalischer Archäologie die Rede sein, bei dem es ein tönendes Juwel zu heben gilt. Sind doch die schriftlichen Festlegungen bei der Musik der Frühbarocks oft sehr lückenhaft, was auch für die 1610 in Venedig veröffentlichte Marienvesper von Claudio Monteverdi gilt. Geht es um die Bestimmung des jeder Bewunderung würdigen Monumentalwerks, dann tappt man nach 400 Jahren immer noch im Dunklen. Im September war es gerade bei den Dom-Musiktagen in Speyer zu hören gewesen. Wurde es für den liturgischen Gebrauch gedacht? Hat man es mit einem sakralen Werk, einer losen Sammlung geistlicher Stücke oder vielleicht doch mit einer Variante des Musiktheaters zu tun? Lauter Fragen, auf die man keine klaren Antworten findet. Elemente geistlicher Musik, von Oper, Madrigal und Konzert überlappen sich auf jeden Fall ständig miteinander. Mit Sicherheit handelt es sich aber um große Musik. Um diese geht es auch Calixto Bieito vorrangig, einem ebenso aufgeschlossenen wie anregenden Gesprächspartner. Ihm schwebe eine barocke und humane Präsentation vor. „Spanien, meine Heimat“, erklärt er, „ist immer noch ein barockes Land. Und mit Barock meine ich die Form eines Festivals der Farben für Kinder“. Das Schlüsselwort zu seiner Auseinandersetzung mit der Marienvesper sei Suche: die Suche nach Antworten in der Musik. „Denn aus dieser Musik lassen sich Monteverdis Zweifel an der Religion, vielleicht an Gott, vernehmen. Sie ist ein Poem für Solisten, Chor und Orchester – und eine Jungfrau, die keine ist. Im Mittelpunkt steht die Frau, die Leben schenkt.“ Der Regisseur sieht das Stück als festliche Liturgie der Weiblichkeit. Kindheitserinnerungen seien beim Regisseur lebendig geworden während der Arbeit an der Marienvesper, so auch an die Jesuitenschule, die er besucht habe. „Sie war eine wertvolle Erfahrung für mich. An die Religion zu glauben, habe ich aber nicht gelernt. Dagegen glaube ich unerschütterlich an die europäische Kultur.“ Für das Bühnenbild wollte Bieito nicht viel Technologie. Stattdessen ließ er sich durch schlichte Bilder einer italienischen „arte povera“ (arme Kunst) inspirieren. Andererseits enthalte die Ausstattung Anspielungen auf italienische Kathedralen. Deren zentrales Element stelle eine Kathedrale aus Holz in gelber Farbe dar, „in Marias Farbe“. „Übrigens“, fügt Bieito hinzu, „politischer Regisseur bin ich nicht mehr. Meine Inszenierung des Maskenballs von Verdi war noch politisch und bezog sich unmissverständlich auf die spanische Politik.“ Termine Premiere morgen, 19 Uhr, im Mannheimer Nationaltheater. Weitere Termine am 20. Dezember, 5., 11. und 25. Januar. Karten unter Telefon 0621/1680150.

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