Speyer Ohne m/w wird’s teuer

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Landau

. „Wenn Sie finanzielle Nöte haben, studieren Sie die Stellenanzeigen und bewerben sich auf Stellen, die den Anschein einer Diskriminierung wecken.“ Das habe sein Professor im Jura-Studium scherzhaft geraten, sagt der Landauer Arbeitsrechtler Michael Heintz. Stellenanzeigen in Zeitungen sind eine interessante Lektüre für viele Menschen. Auch für Leute, die sich falsch formulierte Inserate herauspicken und sich darauf nur bewerben, um einen Grund für eine Klage zu haben. Heintz, Fachanwalt für Arbeitsrecht, vertritt für die Landauer Kanzlei Wissing auch Firmen gegen vermeintliche Arbeitssuchende. Jürgen Schmitt (Name geändert) ist so einer. Der Südpfälzer, der jetzt im Karlsruher Umland lebt, ist ein „AGG-Hopper“ oder Scheinbewerber. Gemeint sind damit Menschen, die das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) missbrauchen. Das 2006 in Kraft getretene Gesetz soll „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität“ verhindern oder beseitigen, heißt es in Paragraf 1. Firmen müssen also geschlechterneutrale Stellenanzeigen aufgeben. Beispielsweise: „Reinigungs-Fachkraft gesucht“. Nur nach einer „Bürokauffrau“ zu suchen, verstößt gegen das Gesetz. Genauso ist, neben einigen anderen, auch Ralf Recktenwald ins Visier Schmitts geraten. Dem Unternehmer gehört die Firma Bodenbelagsprofi in Wörth. Er hat eine „Bürokauffrau“ gesucht. Schmitt bewarb sich und kassierte eine Absage. Daraufhin rief er bei der Firma an und verwies auf den Rechtsbruch. „Er hat uns einen Vergleich angeboten: 7500 Euro.“ Seine Mitarbeiterin habe sich von dem Mann erpresst gefühlt, erzählte sie später ihrem Chef. „Er war vorbereitet, es schien ihr, als mache er das täglich“, erinnert sich Recktenwald. Das Angebot lehnte er ab. Schmitt verklagte ihn. Der Wörther Firmenchef sagt, er habe Schmitt nicht aussortiert, weil dieser ein Mann sei. In die engere Auswahl seien drei Männer und sieben Frauen gekommen. Er habe sich für eine Frau entschieden, die nun in Teilzeit für ihn arbeite – statt Vollzeit, wie es in der Anzeige stand. Schmitt sei nicht genommen worden, weil er keine Erfahrung in der Buchhaltung habe. „Er erschien in keinster Weise geeignet für den Job.“ Eine Einschätzung, die der Richter bestätigt habe. Geeinigt haben sich die Parteien bei einem Gütetermin vor dem Arbeitsgericht auf einen Vergleich in Höhe von 1250 Euro. Recktenwald ist immer noch wütend. „So einer sucht Fehler und macht daraus ein Gewerbe. Dem muss ein Riegel vorgeschoben werden. Er macht das professionell.“ Im Sommer 2016 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH), das höchste Gericht der Europäischen Union, eine Entscheidung zum „AGG-Hopping“ gefällt. Geht es einem Bewerber nicht darum, den Arbeitsplatz zu bekommen, sondern ist er nur auf eine Entschädigung aus, kann dies als Rechtsmissbrauch gewertet werden. Den muss der Arbeitgeber nachweisen. Falls das gelingt, steht dem Bewerber keine Entschädigung zu. Ein anderer Mandant von Heintz hat einen Prozess ausgefochten und war dabei erfolgreich. Das Landauer Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. „Ausbildung zur/zum Industriekauffrau“ hieß es in der Anzeige. Das reiche aus, um beide Geschlechter anzusprechen, heißt es im Urteil. Ansonsten sei der Kläger auch aufgrund des Lebenslaufs für die Stelle objektiv nicht geeignet gewesen. Seit April 2016 sind sechs Klagen Schmitts allein am Arbeitsgericht Landau verhandelt worden. Eine weitere wird beim Landesarbeitsgericht in Mainz verhandelt. Viermal hat er in den vergangenen beiden Jahren vor dem Arbeitsgericht Karlsruhe geklagt. Zur Höhe der Vergleiche, die Schmitt Geld eingebracht haben, können die Gerichte keine Auskünfte geben. Heintz hält die Absicht des AGG für richtig – „wenn sich jemand ernsthaft bewirbt“. Auch der im Gesetz verankerte Anspruch auf Schadenersatz sei der richtige Weg. Eine erzwungene Einstellung könne in der Probezeit leicht wieder gekündigt werden. Aber: „AGG-Hopper nutzen das Gesetz zu kommerziellen Zwecken aus.“ Gerade für Mittelständler oder Kleinbetriebe seien Menschen wie Schmitt ein Problem. „Denen tun 5000 Euro Entschädigung richtig weh.“ Von Klagen auf Basis des AGG könnten sogar Privatpersonen betroffen sein, wenn sie eine „Putzfrau“ suchten, sagt Heintz. Die RHEINPFALZ hatte Kontakt zu fünf weiteren Firmen in der Südpfalz, die Schmitt kennengelernt haben. Die Inhaber und Geschäftsführer beschreiben einen Querulanten, der nicht zusammen mit anderen arbeiten könne. Mal sei ihm in der Probezeit wegen Fehlverhaltens gekündigt worden, mal habe er sich, wie im Fall Recktenwald, ohne ausreichende Qualifikation auf Stellen beworben und nach der Ablehnung geklagt. Einige erhielten auch Jahre später immer wieder E-Mails mit Drohungen und Forderungen. „Wahrscheinlich weil er wieder Geld braucht“, sagt einer. Schmitts Lebenslauf sei ein deutlicher Warnhinweis: Der Mittdreißiger habe auch im jungen Alter schon häufig den Arbeitgeber gewechselt. Die RHEINPFALZ hat auch Jürgen Schmitt angeschrieben und um ein Gespräch gebeten. Seine Reaktion: Er droht mit Anzeige.

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