Speyer Kritik an „Zwei-Klassen-System“ bei den Strompreisen

„Unglaublicher Preiskampf“: Verbraucherschützer zur Lage bei den Energie-„Discountern“.
»Unglaublicher Preiskampf«: Verbraucherschützer zur Lage bei den Energie-»Discountern«.

Die gestiegenen Energiepreise belasten die Verbraucher. Vor allem die, die ihren Strom bei Billiganbietern bezogen haben und denen nun reihenweise gekündigt wurde. Sie rutschen automatisch in die Ersatzversorgung des regionalen Grundversorgers. Nicht alle finden das gut.

Das Telefon bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz steht nicht still. Schon seit Oktober geht das so. Mittlerweile könnte der Verein vermutlich rund um die Uhr Fragen besorgter Menschen beantworten. „Die Nachfrage ist drastisch gestiegen, so dass wir das Telefon doppelt und teilweise dreifach besetzt haben“, so Fabian Fehrenbach, Referent Energierecht bei der Verbraucherzentrale. Insgesamt neun Stunden pro Woche, montags, dienstags und donnerstags von 10 bis 13 Uhr, bietet die Verbraucherzentrale einen kostenlosen Kurzberatungsservice unter 0800 6075 500 an. Wer ausführlichere Beratung vor Ort, per Video oder telefonisch wünscht, zahlt 18 Euro.

Auch Tamina Barth, Leiterin der Beratungsstelle in Ludwigshafen, hat einen regen Zulauf festgestellt. „Gerade nach der Sendung ,Hart aber fair’ am Montag standen noch mehr vor der Tür“, berichtet sie. Der Trubel auf dem Energiemarkt beschäftige die Menschen, sagt Barth. „Das wird 2022 auch das große Thema bleiben.“

An der Preisschraube gedreht

Dass die regionalen Grundversorger bei Neukunden ordentlich an der Preisschraube gedreht haben, damit wird die Verbraucherzentrale derzeit häufig konfrontiert. Ein Beispiel aus Ludwigshafen: Kunden, die bereits vor dem 20. Dezember 2021 ihren Strom bei den Technischen Werken (TWL) bezogen haben, zahlen 33,13 Cent pro Kilowattstunde. Wer danach dazukam, muss tiefer in die Tasche greifen. Zum 1. Februar senkt die Firma zwar die Verbrauchspreise in der Ersatzversorgung, dennoch liegt der Preis mit 52,61 Cent pro Kilowattstunde (statt bisher 82,70 Cent) noch über dem der Bestandskunden.

Auch in Speyer gibt es Unterschiede. Die Stadtwerke (SWS) haben nach eigenen Angaben seit Oktober circa 800 Haushalte in die Ersatzversorgung aufgenommen, davon allein 500 im Dezember. Sie seien überwiegend Kunden von gas.de und Stromio gewesen, so eine Sprecherin auf Anfrage. Für diese Neukunden gelten höhere Preise als für bisherige Nutzer der Grundversorgung. Zwar müssen auch diese zum 1. März eine Preiserhöhung hinnehmen, zahlen dann aber beim Strom bei einem Jahresverbrauch von 2500 Kilowattstunden rund 75 Euro im Monat, während es für die Neukunden seit Dezember circa 120 Euro sind. Insgesamt gibt es rund 30.000 Stromkunden. Viele davon waren in der Vergangenheit auf das SWS-Angebot von Sondertarifen eingegangen. Aktuell ist das nicht möglich. Die Sprecherin begründet das mit der Marktlage. Frühestens im April oder Mai würden wieder Sonderverträge angeboten.

Die Ersatzversorgung gilt laut Verbraucherzentrale zunächst drei Monate. Innerhalb dieser Zeit könne man jederzeit kündigen und zu einem anderen Anbieter wechseln, erklärt Jurist Fehrenbach. Jedoch lehnten immer mehr Versorger am freien Markt Neukunden ab. Fehrenbach übt Kritik an vielen Klauseln: „Wir halten dieses Zwei-Klassen-System für nicht zulässig. Der Ersatzversorgungspreis darf laut Gesetz nicht höher als der der Grundversorgung sein.“ Wer in die Ersatzversorgung rutscht, wird also gleich zweifach bestraft: Er muss nicht nur die meist unzulässige, weil nicht fristgemäße Kündigung durch seinen „alten“ Energieversorger verkraften, sondern wird darüber hinaus ordentlich zur Kasse gebeten.

So kalkulieren die Firmen

Energieunternehmen begründen die höheren Preise für die Neukunden damit, dass zusätzliche Strom- oder Gasmengen kurzfristig auf dem sogenannten Spotmarkt eingekauft werden müssten, wohingegen bei Bestandskunden längerfristig geplant werden könne. Mit einer Gesetzesänderung will der Bund nun gegensteuern.

Sogenannte Discountanbieter setzten häufig auf kurzfristige Einkäufe: „Auf den untersten Rängen findet ein unglaublicher Preiskampf statt. Sie arbeiten irgendwann defizitär und steigen aus, wenn zu teuer eingekauft werden muss“, sagt Fehrenbach. Das habe zuletzt dazu geführt, dass sie ihren Kunden innerhalb kürzester Zeit gekündigt haben. Er fordert hier eine längere Vorlaufzeit. Wem vorzeitig gekündigt wurde, der könne Schadensersatz fordern. Sollte der Preis außerplanmäßig erhöht werden, habe der Kunde ein Sonderkündigungsrecht. Musterbriefe gibt es auf der Website der Verbraucherzentrale.

Noch Fragen?

Verbraucherzentrale Ludwigshafen, Auskünfte im Netz unter: www.verbraucherzentrale-rlp.de, Wredestraße 33, 67059 Ludwigshafen, Telefon: 0621 512145.

F. Fehrenbach
F. Fehrenbach
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