HARTHAUSEN Kabarett im Tabakschuppen

„Herrenabend“: Gabs Salzmann (linkS) und Christoph Burdette im Tabakschuppen in Harthausen.
»Herrenabend«: Gabs Salzmann (linkS) und Christoph Burdette im Tabakschuppen in Harthausen.

Das Benefiz-Gastspiel für die Bahnhofssanierung des Kultur- und Heimatvereins Harthausen des Kabarett-Duos „Herrenabend“ begeisterte im Tabakschuppen.

Johann Wolfgang von Goethe hat in seinem Leben alles gemacht: Literatur, Politik, Wissenschaft Farblehre, Botanik, Frauenheld und und und. Wenn er auch noch Schlager gesungen hätte, hätte er das Forschungsfeld der Tony-Marshall-Universität in Bebra immens vergrößert. Ist aber nicht schlimm, weil auch ohne Dichterfürst extrem lustig. Das zeigt eine witzige Vorlesung im Historischen Tabakschuppen Harthausen.

Denn so kann sich Bertram von Freispitz (Christoph Burdette), der esoterische Musikprofessor, an seiner Hochschule mit der Interpretation anglo-amerikanischer Popmusik des ausgehenden 20. Jahrhunderts beschäftigen. Zum Beispiel meisterhaft mit dem Song „Alice“ von Smokey. Mit seinen ihm ergeben lauschenden Hörern in dem am Samstag zum sogar auf dem letzten Platz noch gefülltem Audi Max umfunktionierten Tabakschuppen lässt er das Publikum die vorhandene Musik aus dem Äther ziehen. Auf Basis dieses Materials erörtert er, was Text und Interpreten sagen wollen. Fazit: Begeisterte und um einen großen Schatz (unnützen) Wissens reichere „Studenten“ und ein unendlich genervter Partner Salzmann (Gabs Salzmann) auf dem „Katheder“.

„Doppelvorlesung“

Dieser Salzmann – das ist die Konstellation dieser „Doppelvorlesung“ – hält als Hardcore-Rationalist dagegen. Experimente, Selbsttests und Prägungen als frühkindlicher Dauer-Fernseher („selbst das Testbild von halb zehn bis halb zehn im früher linearen Fernsehen“) sind sein Background, vor dem er das wahre Leben erklärt. Überhaupt: das Bildungs-TV. Von „Alf“ die Offenheit den Umgang mit fremden Kulturen lernen, von „Dalli-Dalli“ spielerisch Wissen vermittelt bekommen, von Thomas Gottschalk die Familie von 3 bis 99 vor dem Lagerfeuer im Wohnzimmer vereinen lassen. „Wegen ihm wird übrigens der Zivildienst wieder eingeführt. Es muss ihn ja jemand die Showtreppe hinunterführen“, lautet Salzmanns böser Kommentar zum nie verstummenden Dampfplauderer auf der Mattscheibe.

Sinnlose Quizshows mit von sehr viel Geld „für nichts“ verdienenden Sprechern verlesenen Fragen und billigen Gewinnen bis hin zum Haarshampoo für Frauen reicht Salzmanns Parforceritt durch den alltäglichen Alltag. Seine gelungene Parodie eines TV-Quiz„ gerät auch dank der zufällig ausgewählten Publikumskandidaten zum Brüller. Tütensuppe nebst Teelicht für Candlelight-Menü und einem „Kümmerling“ für den Verlierer als Preise eingeschlossen.

„Heidi, Himmel oder Hölle“

Erhellend auch die Anmerkungen zur „größten Künstlerin“ Heidi Klum. Ihr Werk „Brezel an Luftballon“, auf dem ein „H“ zu lesen ist, kann Freispitz aber noch tiefer erforschen. H steht schließlich nicht nur für „Heidi, Himmel oder Hölle“. Die Dame hat immerhin auch eines ihrer zwei hervorstechenden weiblichen körperlichen Merkmale „Hans“ genannt. Das hat der Professor unterschlagen. Es waren auch Kinder im Publikum…

„Wir sind nicht politisch“, sagt das Stand-up-Kabarett-Duo von sich selbst. Das stimmt nur bedingt. Es überwiegen jedoch Spaß und Unsinn. Der Nonsens sowie die gnadenlose „Witzischkeit“ der beiden aus Hessen (!) stammenden Comedians sind so grandios ehrlich, manchmal direkt und manchmal und die Ecke gedacht lustig und dabei so treffend, dass Besucher und Besucherin nicht nur immer lauthals lachen, die (derzeit nicht leichte) Welt etwas vergessen und sich gleichzeitig selbst immer wieder selbst erkennen können. Das Benefiz-Gastspiel von „Herrenabend“ für die Bahnhofssanierung des Kultur- und Heimatvereins Harthausen am Samstag wird zu einer Vorlesung, die Eindruck macht und eine gute Laune produziert, die am Sonntagmorgen nicht verflogen ist.

x