Speyer Historiker Walter Rummel zu Hintergründen der Deportation nach Gurs 1940

Referierte im Begleitprogramm zur „Gurs“-Ausstellung: Walter Rummel, der Leiter des Landesarchivs in Speyer.
Referierte im Begleitprogramm zur »Gurs«-Ausstellung: Walter Rummel, der Leiter des Landesarchivs in Speyer.

Die Deportation pfälzischer, saarpfälzischer und badischer Juden nach Gurs im Oktober 1940 gehört zu den dunkelsten Kapiteln der Regionalgeschichte. Im Beiprogramm zur Ausstellung, die in Speyer aufgebaut ist, hat Walter Rummel jetzt dargelegt, warum die Verantwortlichen vor Ort zu finden sind.

Die erste Massendeportation von Juden aus Deutschland im Oktober 1940 nach Südfrankreich geht nach Einschätzung des Speyerer Historikers Walter Rummel eindeutig auf die Initiative der beiden NS-Gauleiter Josef Bürckel (Saarpfalz) und Robert Wagner (Baden) zurück. Für die Verschleppung von mehr als 6.500 Juden aus der Pfalz, dem heutigen Saarland und Baden in das Internierungslager Gurs am Rand der Pyrenäen seien die beiden fanatischen Antisemiten verantwortlich gewesen. Dies sagte der Leiter des Landesarchivs in Speyer am Donnerstagabend bei einem digitalen Vortrag zur Rolle Bürckels bei der sogenannten Wagner-Bürckel-Aktion vor mehr als 80 Jahren.

Hitler habe seine ihm direkt unterstellten Gauleiter, zu deren Machtbereichen das besetzte Elsass und Lothringen gehörten, zum eigenständigen Handeln ermutigt und ihre Deportationspläne gebilligt, sagte Rummel. Die Schaltzentrale des NS-Regimes in Berlin habe Bürckel und seinem badischen Kollegen Wagner nur zugespielt.

Offene Fragen

Aufgrund mangelnder Quellenlage bleibe die Fragen offen, ob der Pfälzer Bürckel der eigentliche Initiator der Aktion gewesen sei. Unhaltbar sei aber die These, der Chef der deutschen Polizei, SS-Führer Heinrich Himmler, sei der Urheber gewesen und die beiden Gauleiter hätten nur administrativ mitgewirkt. In neun Sonderzügen war die verhaftete jüdische Bevölkerung am 22. und 23. Oktober 1940 von den Nationalsozialisten abtransportiert worden. Viele der Menschen starben in Gurs oder anderen Internierungslagern in Südfrankreich oder wurden ab 1942 in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und dort ermordet.

Unklar bleibe auch die Frage, ob die beiden Konkurrenten Bürckel und Wagner die Deportationspläne gemeinsam ausheckten, sagte Rummel. Einiges spreche dafür, dass Wagner mit dem erfolgreichen Machtpolitiker Bürckel gleichziehen wollte: „Dies wäre dann genau die Reaktion, die Hitler aufgrund der von ihm geförderten und genutzten Rivalität seiner Häuptlinge erwartete.“

Bürckel habe bei seinem „Führer“ eine privilegierte Stellung eingenommen, sagte Rummel. Bereits 1933 habe er erfolglos versucht, alle seit 1914 in die Pfalz eingewanderten Juden zu vertreiben.

Zweifelhaftes Ansehen

Als Reichskommissar in Wien habe Bürckel 1939 die ersten Deportationen von Juden aus Österreich angeordnet – unterstützt von Adolf Eichmann, dem späteren Organisator der Todestransporte in die Vernichtungslager im Osten. Skrupellos habe er 1940 in Lothringen eine brutale „Germanisierung“ verfolgt und Zehntausende Franzosen vertrieben.

In jedem Fall habe Bürckel die Judendeportation nach Gurs für sich verbuchen können, sagte Rummel: Per Rundfunk ließ er gegenüber Hitler erklären, sein Gau sei „judenfrei“. Noch lange nach dem Krieg habe Bürckel, der 1944 starb, als „Erfinder“ der Deutschen Weinstraße ein gewisses Ansehen genossen.

Ausstellung und Vortrag

Über „Die Deportation der pfälzischen Juden nach Gurs vor 80 Jahren und das Schicksal der Deportierten aus der Pfalz“ referiert am Mittwoch, 21. April, um 19 Uhr der Kaiserslauterer Historiker und pfälzische Landessynodale Roland Paul. Der Vortrag wird per Livestream aus der Pfalzbibliothek auf dem Youtube-Kanal des Bezirksverbands Pfalz übertragen. Er ist Teil des Begleitprogramms des Bezirksverbands zur Ausstellung „Gurs 1940“ im Historischen Museum der Pfalz in Speyer, die bis 23. Mai gezeigt werden soll. Corona-bedingt ist sie derzeit geschlossen.
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