Speyer Essen, trinken, freuen
Den Auftakt zu Pessach, dem jüdischen „Fest der ungesäuerten Brote“, hat Galina Derbinskaya am Dienstagabend mit Enkelin Jaqueline Beifuß in der Synagoge gefeiert. „Die ganze Familie trifft sich bei der Oma“, erzählt die 18-Jährige von der Tradition, die die Juden an den Auszug der Israeliten aus Ägypten erinnert. Unmengen von „Mazza-Brot“ habe sie aus Mehl und Wasser gebacken und Weizen-, Roggen, Gerste-, Hafer- oder Dinkel-haltige Speisen und Getränke aus ihrer Küche verbannt, beschreibt die Großmutter die strengen Regeln. „Chag Pessach sameach – Ein fröhliches Pessachfest“, wünscht Galina Derbinskaya Enkelin und Freunden nach dem Gottesdienst in der Synagoge. Im Gemeinderaum steht alles zum Festmahl bereit: Bitterkraut, Charosset – ein Fruchtmus aus Äpfeln, Nüssen, und Zimt –, verschiedene Gemüse, hart gekochte Eier, Salat aus Meerrettich und Roter Bete und „gefillte Fisch“ in Kloßform, Hühnersuppe, Kartoffeln und Lammfleisch. Dazu gibt es koscheren Wein. „Jede Speise ist ein Symbol“, erklärt Jaqueline und legt Petersilie zwischen zwei Mazza-Stückchen. Der Kantor liest das Tischgebet dazu. Kinder suchen und finden kleine Geschenke und stimmen ein fröhliches Lied an, in dessen Refrain alle einfallen. Jaqueline lässt nach Anweisung des Kantors Wein vom Finger auf ihre Serviette tropfen. „Für jede Plage ein Tropfen“, erklärt sie. „Bis Montag kommen Tochter, Schwiegersohn und beide Enkel jeden Abend zum Essen“, weist die Großmutter auf einwöchige Feierlichkeiten hin. (kya)48 Tage lang hat sich Natalia Sitnikov von Brot, Wasserbrei, Gemüse, Früchten, Pilzen, Nüssen und Hülsenfrüchten ernährt, an den meisten Tagen auf Öl verzichtet und nur selten Fisch gegessen. Die Fastenzeit endet für die orthodoxe Christin mit einem Stück „Kulitsch“, dem russischen Osterbrot. Sie sei gebürtige Griechin und mit einem Russen verheiratet, erklärt sie individuelle Rituale. Süß, mit frischer Hefe in einem speziellen Emailletopf gebacken steht das Osterbrot schon in der Küche. Das nähmen sie am Abend mit in die Mannheimer Kirche, erzählt Natalia Sitnikov von der feierlichen Brotweihe während des sechsstündigen Gottesdienstes im Stehen. Mit ihr gingen Ehemann, vier Kinder und drei Enkel in die Osternacht, betont sie. „Christós Anésti – Jesus ist auferstanden – Alithós Anésti – Er ist wahrhaftig auferstanden“: Die Worte, mit denen für orthodoxe Christen Ostern beginnt, sagt Natalia Sitnikov in ihrer Muttersprache. Marius (11), Milena (10) und Anastasia (7) können das Fest kaum noch erwarten. Vorsichtig legen sie ihre bunt gefärbten Eier rund um den von der Oma nach ihrem Geheimrezept gebackenen Kuchen. „Geschenke gibt es, wenn wir das Osterbrot gegessen haben“, erzählt die Jüngste von westeuropäischen Einflüssen der griechisch-russischen Speyerer Familie. Das Haus sei voller Verwandter und Freunde, schildert Natalia Sitnikov den traditionellen Ablauf des Festes. Zum Mittagessen gibt es Lammbraten und danach Osterkuchen in allen Formen und Größen, sagt sie. Hergestellt habe sie alles in der Fastenzeit, betont die dreifache Großmutter. „Ich habe viel Routine und muss nichts mehr abschmecken.“ (kya) „Die Hauptmahlzeit ist das Osterfrühstück am Sonntag nach dem Auferstehungsgottesdienst. Ganz wichtig dabei sind die Ostereier. Die werden nicht einfach bunt gefärbt, sondern kunstvoll bemalt“, erzählt Bronek Biernacki vom polnischen Imbiss und Lebensmittelgeschäft in der Schustergasse. An Karfreitag säßen die Familien zusammen und bemalen die Eier mit Blumen und Mustern. Es gebe sogar Ausstellungen und Wettbewerbe um die schönsten Eier. „Am Karsamstag werden im schön hergerichteten Korb alle Lebensmittel für das Osterfrühstück in der Kirche gesegnet.“ Dazu gehören Würste, Schinken, Meerrettich, Rote Bete, Brot, Kuchen und Gebäck. Am Ostermorgen teile man sich jeweils ein Ei, wünscht sich frohe Ostern und esse es, gerne mit Mayonnaise oder Tartarsauce. Zu den Würsten und Schinken gibt es Meerrettich und sauer eingelegte Rote Bete. Gerne werde auch Wurst und anderes in Pfannkuchen gefüllt. „Unbedingt gehört auch die heiße saure weiße Suppe Zurek dazu.“ Dann gebe es Kuchen, Heferolle mit Mohn, Käsekuchen, süße Kekse, auch Schäfchen aus Zucker dürften dabei sein. „Zum Abschluss braucht jeder dann einen Wodka zum Verdauen, oder auch zwei.“ (adö)