Speyer Erdbeeren und das Kraut der Unsterblichkeit

Gegen jedes Übel ist ein Kraut gewachsen. Für Wohlbefinden in fast allen Lebenslagen auch. Das ist in Dudenhofen längst kein Geheimnis mehr. Den Spuren von Hildegard von Bingen und ihren Nachfolgern sind nicht nur Dudenhofener am Wochenende zu den sechsten „Kräutertagen“ von Volkshochschule und „Hofladen Zürker“ gefolgt.

„Einmal im Garten, immer im Garten“: In der zweiten „Kräutersprechstunde“ beschreibt Sabine Zürker am Sonntagnachmittag Vorzüge und Nachteile von „Topinambur“. Den Kaugummiduft des argentinischen Minzestrauchs noch in der Nase, denkt der Besucher über die Anpflanzung der Knolle im heimischen Naturgarten nach. Die Verlockung der Erdbeerpflanze auf dem Tisch gegenüber ist zu groß: Sie gewinnt den ungleichen Kampf gegen das ziemlich unansehnliche Kartoffelmodell, dessen Genuss sogar für Diabetiker geeignet sein soll. „Im Topf gedeihen sie besser“, klärt Kräuterfrau Zürker über optimales Erdbeerenleben auf. Minze oder Basilikum: Unter den beschrifteten Arten die richtige Auswahl zu treffen, ist für den bekennenden Laien unmöglich. „Basilikum geht unter fünf Grad kaputt“, warnt Zürker vor nicht ausgeschlossenen Temperaturstürzen in den ersten Maitagen. Unter einem Putzeimer sei das empfindliche Kraut vor Frost geschützt. Der unschlüssige Kunde überlegt nicht lange und greift zum roten Basilikum. Ein Putzeimer ist schließlich vorhanden. Jetzt muss nur noch die Tomate dazu reifen. Zürker mahnt zu Geduld: Erst, wenn mit der „kalten Sophie“ am 15. Mai die letzte Eisheilige ihre Grüße über Felder und Gärten geschickt habe, sei das schmackhafte Nachtschattengewächs vor vorzeitigem Erfrieren sicher. Also Hände weg von der Tomate bis Mitte Mai und hin zum „Colakraut“. Das riecht so, wie es heißt, soll fetten Speisen das gewisse Etwas verleihen, aber niemals während einer Schwangerschaft gegessen werden. Ziemlich benebelt von so viel Information und Kräutermagie steht der Besucher unversehens vor den Blättern der „Jiaogulan“. Zürker empfiehlt das „Kraut der Unsterblichkeit“ gegen Stress, für gute Nerven und Ausgleich und trifft damit exakt die Bedürfnisse des Kräutersprechstunden-Besuchers. Die Pflanzen-Ampel steht gleich darauf neben Essigkraut, Liebstöckel und buntem Mangold im Einkaufskorb. Hinzu gesellt sich bald auch „Brahmi“, das „Gedächtniskraut“. Das sollen laut Zürker auch Elefanten gerne essen... Zur Kräuterpause gibt es selbst gebackenen Rhabarberkuchen zum Kaffee für den Besucher, vor seinem Gegenüber an der Bierbank auf dem Bürgersteig steht ein Stück Kiwitorte. Inhaber Markus Zürker füllt derweil Kräuter auf, gibt Wurstsalat-Teller aus und wiegt die ersten Dudenhofener Erdbeeren ab. Ehefrau Sabine klärt eine Kundin über die antibakterielle Wirkung von Schnittsellerie auf und sucht nach dem Kraut, das naschhafte Katzen von Gartenbeet-Mahlzeiten abhalten soll. „,Verpiss Dich’ ist aus“, ruft Zürker. Wie viel Currykraut für eine Mahlzeit reiche, erkundigt sich eine Frau bei Sabine Zürker. „Einfach ausprobieren“, empfiehlt sie. Warum sich Läuse an die Kapuzinerkresse des Besuchers gesetzt haben, kann sich die Kräuterexpertin auch nicht erklären. „Da fragen sie mich zu viel“, weist sie auf ihre Grenzen hin. „Vielleicht probieren Sie es mal mit unserem Exemplar.“ Gesagt, getan. Der Einkaufskorb ist gefüllt, der Magen ebenso. Eigentlich ist der Kräutersprechstunden-Besucher fertig für den Nachhauseweg. Wenn er sich nur an den Namen des Krauts erinnern könnte, das sogar gegen Gedächtnislücken von Elefanten wirken soll ... (kya)

x