Speyer Endgültig Ende

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Am Donnerstag um Mitternacht endet in Speyer nicht nur das Jahr 2015. Der Jahreswechsel bedeutet auch das Ende der rund 200 Jahre dauernden Geschichte der Garnisonsstadt. Die Franzosen sind schon lange weg. Jetzt geht die Bundeswehr. Sie war seit 1963 in der Domstadt stationiert – zuletzt das Spezialpionierbataillon 464 in der Kurpfalzkaserne. Im „historischen“ Moment der Auflösung ist gar kein Soldat dort – die letzten Uniformträger sind seit 18. Dezember im Urlaub. Erst im kommenden Jahr, am Montag, 4. Januar, rückt das nur noch das maximal 30 Personen zählende Nachkommando wieder ein. Zur Kaserne zählt dann nur noch der südliche Teil. Stuben, Funktionszimmer und Kantine sind im letzten bewohnten Gebäude untergebracht. Der Rest des 23,5 Hektar großen Kasernenareals ist nicht mehr militärisches Gelände. Ein Zaun trennt das Areal bald auch optisch. Die Landesaufnahmestelle für Asylbegehrende (AfA) nutzt die Immobilie zur Unterbringung von Flüchtlingen. In Kürze wird das Terrain an die Bundesimmobilienagentur (Bima) zurückfallen, irgendwann womöglich neu bebaut und ganz anders genutzt. Die ursprünglichen Konversionsplanungen sind inzwischen jedoch zurückgestellt – zunächst für wohl fünf Jahre (wir berichteten). Letztlich begannen bereits unmittelbar nach Bekantgabe des Standort-Auflösungstermins im Jahr 2011 – militärisch generalstabsmäßig geplant – die Vorbereitungen auf das Ende. Parallel lief der militärische Betrieb weiter. Immer wieder mussten Soldaten aus Speyer in den (Auslands-)Einsatz nach Afghanistan, nach Ex-Jugoslawien, sogar Mali. In der Spitze waren einmal rund 1300 Soldaten in der Kaserne, in der Regel rund 1200. 350 Uniformierte waren am feierlichen Auflösungsappell und dem Ausmarsch der Truppe am 25. Juni über die Maximilianstraße beteiligt. An solche Zahlen und Einsätze erinnerten in der Woche vor Weihnachten im RHEINPFALZ-Gespräch Hauptmann Klaus Herold und Oberstleutnant Wolfgang Rühl. Herold (52), seit 1993 am Standort, ist gegenwärtig Personaloffizier. Er zeichnete mit dafür verantwortlich, dass – „bis auf ganz wenige Ausnahmen“ – jeder Soldat an seinen Wunsch-Standort versetzt werden konnte. Rühl (57) war zuletzt als Truppenversorgungsoffizier zuständig für die materielle Abwicklung der Rest-Auflösung. Er ist parallel der Führer des Nachkommandos und Standort-Ältester. Der gebürtige Dillinger ist derzeit ranghöchster Militär in Speyer. Seine persönliche Restdienstzeit von eineinhalb Jahren wird er heimatnah stationiert werden. Über die Sinnhaftigkeit der Standortauflösung(en) und möglichen neuen Bedarf von Bundeswehrsoldaten angesichts der Weltlage redet er nicht: „Das ist die Aufgabe der Politik.“ Seit der Woche vor dem dritten Advent hat das Nachkommando unter Rühl das Sagen. Vorige Woche ist das Stabsgebäude am Kasernentor geräumt und an eine militärische Verwaltungsbehörde zurückgeben worden. So wie inzwischen alle anderen Häuser und Hallen. „Alles leer“, so Rühl. Von einst rund 15.500 gelisteten Positionen Inventar – von Materialkiste über Fahrzeug bis Gewehr – sind noch rund 100 da. Das „Absteuern“ des Restmaterials an andere Einheiten und die Vorbereitung der Entlassung der verbliebenen Soldaten – 30 sind zu Beginn 2016 auf Weiterbildungsmaßnahmen – ist Aufgabe des Nachkommandos. Es besteht ausschließlich aus Fachpersonal. Dazu gehört als einzige Frau Oberfeldwebel Claudia Gerasch. „Sie ist als Materialbewirtschaftungsfeldwebel im Bereich EDV und vor Ort für unseren Auftrag unverzichtbar“, lobt Rühl seine Kameradin. Die Soldatin, die seit 2007 in Speyer stationiert ist, prüft gerade Reservekanister und acht verbliebene Werkzeugkisten auf Vollständigkeit und Funktionsfähigkeit. „Es werden höchstens 30 Soldaten sein, sie werden längstens bis 30. Juni kommenden Jahres hier sein“, weiß Rühl. Bis dahin ist normaler militärischer Alltag in der Restkaserne befohlen. Morgens, 7 Uhr, antreten, Ausgabe der Tagesparole. Dienstschluss: 16.30 Uhr. Bis zum wirklich allerletzten Tag sichergestellt ist die Verpflegung. Täglich füllt die Truppenküche Germersheim die Teller in Speyer. Auftrag ist Auftrag. Bis er erledigt ist.

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