Speyer Eine sympathische Nervensäge

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Als Komikerduo „Spitz und Stumpf“ treten sie seit vielen Jahren in der Pfalz auf. Für die Benefizaktion „Die Pfalz liest für den Dom“ haben sich Bernhard Weller und Götz Valter nun auf historisches Terrain begeben. „Die Reise des Speyerer Domvikars Bernhard Russ 1482 an den Kaiserhof in Wien“ lautet der sperrige Titel des Stücks, das auf wahren Begebenheiten basiert und das Weller geschrieben hat.

Die Uraufführung am Donnerstagabend im Alten Stadtsaal Speyer bewies: Weller und Valter bilden ein Team voller Spielfreude, das nicht nur „Spitz und Stumpf“ kann. Wobei die auch nicht ganz fern sind. Valter, sonst Winzer Eugen Stumpf, gibt auch hier die genussfreudigen Figuren, während sein Pendant Weller, alias Besserwisser und Aniliner Friedel Spitz, den klugen Domvikar Russ spielt. Das Duo schlüpft insgesamt in acht verschiedene Rollen. Bei Kaiser Friedrich III. in Wien soll Russ gut Wetter machen, denn der Herrscher wartet auf fällige Abgaben aus Speyer. Weil das verarmte Bistum die nicht leisten kann, soll dem Bischof wegen Ungehorsams der Prozess gemacht werden. Russ soll das Verfahren abwenden. Der Domvikar wähnt sich gut gerüstet und siegessicher mit seiner „Strategie der Zukunft“ – oder anders gesagt: Der stete Tropfen soll den Stein höhlen. Russ nimmt sich vor, am Hofe allgegenwärtig zu sein, den Beratern ständig Botschaften für den Kaiser zuzustecken, sie zu bestechen. Der Plan geht nicht auf, am Hofe sind alle bald von Russ genervt – der Kaiser inklusive. Anfangs wirkt Russ wie ein aufstrebender, karrierebewusster Politiker, der von sich und seinem Vorhaben überzeugt ist, es seinem Chef recht machen und ihm gefallen will. Eine Fehleinschätzung. Russ scheitert, aber gibt nicht auf oder sucht sich ein neues Feld, auf dem er sich profilieren kann. Am Ende entpuppt er sich als zäher und loyaler Mann mit menschlichen Schwächen, der seine Aufgabe ernst nimmt. Eine Nervensäge mit sympathischen Zügen. Die Ausdauer des Domvikars wird am kaiserlichen Hofe sogar bewundert. Den Erfolg – eine Audienz beim Kaiser – bewirkt aber schließlich nicht Russ, sondern dessen Begleiter aus Speyer, der Jäger Wendel. Der lauert nicht wichtigen Beratern auf, sondern lernt beim Zechen im Wirtshaus die richtigen Leute kennen. So werden wichtige Dinge eben eingefädelt. Valter und Weller sind unglaublich wandlungsfähig. In Windeseile schlüpfen sie von einer Rolle in die andere, was das Stück dynamisch macht. Es ist eine Freude, ihnen zuzuschauen und zuzuhören – egal ob sie Hochdeutsch reden, breites Wiener Schmäh oder Pfälzisch. Sie verkörpern die Rollen so stark, dass sie nur wenige Requisiten benötigen. Das Experiment, wie Bernhard Weller es nannte, es gelungen.

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