Speyer Ein fast unvergessliches Fußballspiel

Wenn die Greenkeeper vor dem Spiel Extrarunden bei der Rasenpflege einlegen, nochmal zusätzlich wässern und Maradona persönlich im Stadion weilt, spätestens dann weiß der Fußballfan, dass ein unvergessliches Fußballspiel auf ihn zukommt. Fast so trat es dann auch ein, wenngleich das beim mühsamen 1:0-Sieg der Argentinier gegen den Iran letztlich weniger den Akteuren auf dem Platz, sondern der aufgeheizten Atmosphäre im Estadio Minerão in Belo Horizonte galt. Wenn Argentinien auf brasilianischem Boden spielt, geht es nämlich um viel mehr als nur um einen Sieg gegen den Iran, sondern auch um die Vorherrschaft auf einem fußballverrückten Erdteil. Zehntausende frenetische Fans verwandelten am Samstag das Minerão in ein himmelblaues Fahnenmeer und sorgten für ein Heimspiel der Gauchos, wie die Argentinier in der südamerikanischen Fußballersprache heißen. Die schicken schon beim Einlaufen der Mannschaften ihre Botschaft an ihr großes Idol – aber auch an den ungeliebten WM-Gastgeber: „Brasilien, Brasilien, du wirkst so verbittert, Maradona ist der Größte, großartiger als Pelé“, schallt es auf Spanisch von den Rängen. Die Brasilianer, die sich heute eindeutig in der Minderheit befinden, wissen sich nicht minder lautstark mit ihrem (Protest-)Song zu wehren, der in diesen Tagen in vielen WM-Stadien erschallt: „Ich bin Brasilianer, mit viel Stolz, mit viel Liebe“. „Iran, Iran“-Sprechchöre der wenigen Anhänger des Außenseiters mischen sich mit hinein. Auf dem Platz passiert nicht viel. Ich vergesse, dass da ein Messi, di Maria oder Kun Agüero spielt und ergötze mich stattdessen an dem, was auf den Rängen passiert. Mit dem schwachen Spiel ihrer Mannschaft ebben die Sprechchöre der Argentinier ab, ihre Gesichter ratlos und die Iran-Rufe dafür immer lauter – auch weil die winzige Abordnung Irans Verstärkung bekommt. Umringt von zahlreichen Himmelblauen sitzt neben mir ein Brasilianer im Trikot der Seleção. Ich frage ihn: „Und wer spielt nun besser?“ „Argentinien“, sagt er wie aus der Pistole geschossen, nur um Sekunden später in die „Iran, Iran“-Sprechchöre einzustimmen. Ich sollte schließlich nicht denken, dass er den Gauchos die Daumen drückt. Eine ganze Nation hätte dem fast schon verhassten Nachbarland heute eine Niederlage von Herzen gegönnt. Es wäre wohl der Anfang einer langen und innigen Fan-Freundschaft mit dem Iran gewesen. Nach dem Tor von Messi in der Nachspielzeit trauten sich die Argentinier am Ende dann doch wieder, mit stolzgeschwellter Brust ihrem Idol aus weltmeisterlichen Zeiten zu huldigen: „Maradona ist großartiger als Pelé.“

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