Speyer Die mit dem Wind tanzt

Der Baum des Jahres hat nicht umsonst seinen Namen: Blüten flattern im Wind.
Der Baum des Jahres hat nicht umsonst seinen Namen: Blüten flattern im Wind.

«OTTERSTADT/Waldsee.»Die Flatterulme ist besonders nah am Wasser gebaut und deshalb findet man sie im Rhein-Pfalz-Kreis am ehesten in den Auwäldern bei Altrip, Waldsee und Otterstadt. „Die Auen sind weitestgehend die letzten Biotope, wo sie noch wächst, und deshalb ist es so wichtig, dass wir sie erhalten“, sagt Förster Volker Westermann vom Forstamt Pfälzer Rheinauen, der mit uns den Baum des Jahres ins Rampenlicht rückt. „In den noch selteneren Moor- und Bruchwäldern kommt sie ebenfalls vor. Bruchwälder gibt es einige wenige Reste im Schifferstadter und Harthäuser Wald.“ Mehr Auen und mehr Moor ist gerade nicht drin. Von wegen Land der schaurigen Wälder und widerwärtigen Sümpfe – so hat der römische Schriftsteller Tacitus Germanien beschrieben und damit Landschaften, die die Flatterulme braucht. Aber das ist ja auch schon eine ganze Weile her. Heute sind diese Landschaften in Deutschland fast gänzlich verschwunden. „Feuchtwälder wurden trockengelegt, gerodet und der fruchtbare Boden der Landwirtschaft zugeführt“, sagt Westermann. Außerdem seien Bäche und Flüsse begradigt und eingedeicht worden. Dem Förster zufolge sind von den ursprünglichen Auwäldern entlang des Rheins gerade mal ein bis zwei Prozent übrig geblieben. Der Raum für die Flatterulme ist also beschränkt. Dabei soll sie die heimischen Ulmenarten hochhalten. Denn den anderen beiden – Feld- und Bergulme - geht es überhaupt nicht gut. Und das liegt nicht am Platzmangel. Sie sind geschlaucht vom Schlauchpilz, der die Ulmenkrankheit auslöst. „Übertragen wird der aus Ostasien importierte Pilz unter anderem vom Ulmensplintkäfer. Der Baum wehrt sich gegen den Pilz, indem er die Wasserleitbahnen verschließt – sich quasi selbst den Saft abdreht. Die Folge ist, der Baum verdurstet“, erklärt Westermann. Allzu viele Feldulmen findet man deshalb nicht mehr im Rhein-Pfalz-Kreis-Wald. Bergulmen auch nicht – aber die wachsen hier ohnehin nicht. „Es ist wichtig, dass wir die Ulmen, die wir noch haben, bewusst wahrnehmen“, sagt der Förster, der sich freut, dass durch die Kür zum Baum des Jahres Flatter- und andere Ulmen sowie ihre Probleme in den Fokus der Menschen rücken. „Generell könnte es bei uns wieder etwas nasser werden“, sagt Westermann. Das findet auch die Dr.-Silvius-Wodarz-Stiftung, die den Baum des Jahres wählt. Trockengelegte Feuchtwälder sollen in den ursprünglichen Zustand versetzt und ehemalige Überflutungsräume in den Flusstälern wieder geöffnet und der natürlichen Dynamik des Flusses überlassen werden, lauten Forderungen. Mehr Wasser also für mehr Flatterulmen, die auch für Eschen und Schwarzerlen Ersatzfunktion leisten sollen, die ebenfalls Pilzkrankheiten erlegen sind. Lange war angenommen worden, dass alle heimischen Ulmen von der Ulmenkrankheit stark betroffen sind. Aber bei der Flatterulme ist das offensichtlich anders. Sie ist weniger geschlaucht als ihre Verwandten und scheint weitestgehend immun. Ein Grund dafür dürfte sein, dass der Ulmensplintkäfer sie nicht so gerne anfliegt wie ihre Verwandten – Struktur und Inhaltsstoffe ihrer Rinde sind nicht so sein Fall, wollen Biologen festgestellt haben. Ihm schmeckt die Flatterulme wohl nicht. Der Baum des Jahres hebt sich aber nicht nur geschmacklich von seinen Verwandten ab. Die Flatterulme steht auch ganz anders da: Ihre Brettwurzeln sind ein markantes Erkennungsmerkmal. „Das mutet teils exotisch an, denn es erinnert an Bäume aus den Tropen“, sagt Westermann. Brettwurzeln sorgen ihm zufolge für mehr Standfestigkeit auf nassen Böden – im Regen- wie im Auwald. Um zu weiteren Ulmeneigenheiten zu kommen, müssen wir den Stamm hinauf ins Blätterdach gucken. Nee, nicht jetzt, aber ab Mitte April geht es mit dem Austrieb los. Sind die Blätter aus ihren Knospen geschlüpft, ist ihre asymmetrische Form gut zu erkennen. Das Blatt beginnt auf der einen Seite des Stiels früher als auf der anderen. „Die Spitze des Blattes ist wie ein Fähnchen zur Seite gebogen“, erklärt der Förster. Vor den Blättern kommen die Blüten zum Vorschein. Manchmal sogar schon im Spätwinter, spätestens aber ab März. Die rotvioletten Staubbeutel geben ihnen dabei eine hübsche Färbung. Die Blüten und Früchte hängen in Büscheln an dünnen, bis zu fünf Zentimeter langen Stielen, und wer sie daran einmal im Wind hat tanzen sehen, weiß, warum die Flatterulme Flatterulme heißt. Auch wenn Germanien vermutlich kein Land der schaurigen Wälder und widerwärtigen Sümpfe mehr wird – wie Tacitus es in Erinnerung behalten hatte –, zumindest die Förster des Forstamts Pfälzer Rheinauen wollen die Flatterulmen und ihre Lebensbedingungen weiter im Auge behalten. Westermann zufolge werden Bäume ihrer Art beispielsweise geschont, wenn es an die Holzernte geht. Im Schifferstadter Wald seien zudem in den vergangenen Jahren immer wieder Flatterulmen angepflanzt worden – schon vor Ernennung zum Baum des Jahres.

Nix für den Ulmensplintkäfer: Struktur und Bestandteile der Rinde.
Nix für den Ulmensplintkäfer: Struktur und Bestandteile der Rinde.
Besonderes Blättermerkmal: Ulmenblätter sind asymmetrisch – wie an der Anordnung der Zacken gut zu sehen ist.
Besonderes Blättermerkmal: Ulmenblätter sind asymmetrisch – wie an der Anordnung der Zacken gut zu sehen ist.
Wirkt tropisch: die Brettwurzel der Flatterulme.
Wirkt tropisch: die Brettwurzel der Flatterulme.
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