Freistoss Die Krux mit den Fußballshirts

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FC St. Pauli: Oberteil

Der Sportredakteur der Speyerer Rundschau schlappt zur Mittagszeit den kurzen Flur Richtung Büro der Assistentin und Ausgang Heydenreichstraße entgegen. Kollege Karl-Georg Berg, ausgewiesener Kirchenmusikfachmann vom Kulturdesk unserer Zeitung, beschreitet den Weg in die andere Richtung. „Sieht aus wie das Wappen der Fußballer von Sankt Pauli“, denkt der Sportler mit Blick auf das Oberteil des Kollegen noch: „Wahrscheinlich ist es Werbung.“ Nun ist jener in Sachen Fußball durchaus bewandert, auch wenn sein Hauptinteresse zu Mainzer Studienzeiten Jahrzehnte zurückliegt.Doch die Jungs kicken bei der JSG Römerberg, und da sieht der Zuschauer „KGB“ durchaus mal auf der Tribüne, zumindest, wenn der Nachwuchs beim Oberligaspiel mit einläuft. Kultur und Sport sind sich jetzt ganz nah - untatsächlich: Das Emblem der Kiezkicker. Der Sportler zuckt zusammen.

„Ich wollt noch sagen, sieht aus wie’s Wappen von Sankt Pauli.“ „Ja, ja“, entgegnet der Angesprochene in seiner typischen Art und lacht, wirkt dabei aber nur fast ein bisschen verlegen. Und er schiebt dennoch eine Erklärung flugs hinterher: Der Schwager ist’s, hegt Sympathien zum Hamburger Stadtteilklub mit gelegentlichen kleinen Zwischenspielen, Intermezzos würde er es wohl ausdrücken, in der Bundesliga. Sie wissen schon, die legendären T-Shirts mit dem Aufdruck Weltpokalsiegerbesieger, als die Paulianer um die Jahrtausendwende beim Kampf mit den Bayern die erste Geige spielten und für Misstöne auf der Gegenseite sorgten.

Nun ist’s aber der Sportredakteur, der in die Klassik abdriftet: „Ich glaub das erste Mal, als ich Sankt Pauli gesehen habe, war ...“ mal im deutschen Pokal beim damaligen Oberligisten Viktoria Herxheim, auch das: Jahrzehnte her. Einige Gästefans übernachteten im Auto unmittelbar am Gelände am Krönungsbusch, die Tennisplätze nebenan.

Herxheim ist für den Feuilletonisten natürlich auch keine Neuntonmusik, arbeitete er doch Jahrzehnte lang im benachbarten Landau. „Sankt Pauli muss gewonnen haben. Sonst wüsste ich das Ergebnis noch“, fährt der mit dem Fußball auf dem Hals fort. Die Zeitungsmänner lachen und gehen ihrer Wege.

Später führte den Sportler, mittlerweile Redakteur, noch oft der Weg in die Südpfalz auf den Platz mit dem einprägsamen Namen. TuS Mechtersheim oder FC Speyer 09 gaben sich dort die Klinke in die Hand, ehe die Ligen sie trennten.

Hamburger SV: Aufstiegsshirt

Eine Reise nach Hamburg, Besatzung: zwei Fans des HSV, zwei vom FCK, einer vom VfB Stuttgart, das bin ich. Was habe ich da zu suchen? Eigentlich nichts, ich bin trotzdem dabei. Es ist immer interessant, neue Stadien zu erkunden, Spiele im Profifußball zu schauen. Mit einem der beiden mitgereisten FCK-Fans war ich schon in der Mercedes-Benz-Arena beim VfB. Damals trug er einen Stuttgart-Schal mit sich rum. Heute bin ich also auch für seine Farben. Rot-Weiß-Rot olé, geheime Sympathien hege ich sowieso in Richtung Betze. Also packe ich sicherheitshalber das Aufstiegsshirt ein.

Lautre is widder do! Am Mittwoch vor der Abreise verliere ich mit meiner A-Jugend als Trainer des JFV Ganerb das wichtigste Derby der Verbandsliga-Saison mit 1:3 gegen FC Speyer 09. Am Freitag vor der Abreise unterliege ich als Spieler des ASV Harthausen auf dem Platz 1:4 bei A-Klasse-Tabellenführer TSG Deidesheim. Ich bin also in absoluter Partystimmung. Einer der HSV-Fans und beide FCK-Fans sind Spieler von mir. Zwangsläufig ploppt während unserer Reise das Thema Fußball und die Derbyniederlage auf. Ich sitze in der Mitte, links und rechts die beiden FCKler. Ich spüre, dass es früher oder später zu einem Wadenkrampf bei mir kommt.

Und nein, damit will ich nicht sagen, dass ich außergewöhnlich viel gelaufen bin in Deidesheim. Es ist einfach nur unfassbar ungemütlich und eng. Im Hotelzimmer angekommen, entdecken wir glücklicherweise Sky, verfolgen also die Bundesliga-Konferenz und Bayern gegen Borussia Dortmund am Abend.

Ich hielt relativ wenig davon, machte mich mit einem der Lautern-Buben in die Stadt auf und versackte mehrere Stunden auf St. Pauli – war so nicht geplant. Zurück im Hotel ging’s dann zügig Richtung Stadion. In der U-Bahn stimmt einer meiner beiden HSV-Fans Fangesänge an. Keiner singt mit.

Aufgrund meiner Stimmung gröle ich FCK-Lieder, in die die U-Bahn-Fahrer fröhlich einstimmen. Übrigens kann sich jeder vorstellen, welches Shirt an mir klebt: Das mitgebrachte vom FCK. Stuttgart spielt ja erst morgen. Es soll eine Stadion-Odyssee werden. Denn unglücklicherweise finden wir uns am falschen Eingang des Volksparkstadions wieder.

Nun heißt’s erst mal, außenherum laufen, um zu unseren Plätzen zu gelangen. Die Schuldigen sind für uns relativ schnell klar: Die beiden Hamburger Fans, ist ja schließlich ihr Stadion, wo sie sich gefälligst auskennen sollen.

Angekommen am Platz, warten wir auf den Anpfiff. Drei in FCK-Rot gekleidete Menschen sind die einzigen, die weit und breit als Lautern-Fans zu erkennen sind. Das sind wir. Ich wurde schon oft schräg angeschaut. Diesmal waren es dann aber doch wirklich intensivste Blicke, die uns entgegenströmten. Hamburg geht in Führung. Das Spiel nimmt seinen Lauf.

Der Jüngere der beiden HSV-Fans, vorhin schon erfolgloser Sänger in der U-Bahn, peitscht jetzt die Mannschaft an, bepöbelt die FCK-Spieler, alles, was so dazugehört – oder auch nicht. Lautern-Trainer Dirk Schuster wechselt Lex Tyger Lobinger ein. Ich kündige weit und breit jedem an, dass er das Tor zum 1:1 macht.

In der 82. Minute bewahrheitete es sich. Über Beleidigungen, Drohungen, Hass und Unverständnis, die uns drei nicht erst ab dann entgegenkamen, berichte ich hier jetzt nicht. Das passt nicht zu dieser Kolumne. Auf jeden Fall waren wir wohl fehl am Platz. Rückweg zum Hotel, Planung des restlichen Abends bei den FCK-Fans, die beiden Hamburger schweigen.

Im Aufzug in den siebten Stock: Stille, Totenstille. Am Morgen danach erwache ich und werde aufgefordert, die beiden HSV-Fans zum Fischmarkt zu begleiten. Es ist keine 8 Uhr. Ich zucke nicht mal und bleibe im Zimmer. Nach Hamburg und zurück waren wir mit dem Auto unterwegs, danke an den Fahrer.

Wadenkrämpfe oder ähnliche körperliche Unfälle blieben allen erspart. Beide FCK-Fans teilen sich die Strecke und sitzen für die Hälfte der Zeit neben mir. Diesmal war die Fahrt angenehm. Ich sitze hinter dem Beifahrer. Stuttgart spielt, während wir fahren. Stuttgart verliert, während wir fahren. Pellegrino Matarazzo wird als VfB-Trainer entlassen.

Für mich ist das schlimmer als ein Wadenkrampf.

Pauli besiegte den HSV 3:0, erinnern Nico Henrich und Martin Erbacher

willi
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