Stille Helden „Die Begeisterung erfreut mich“
Herr Teutsch, welche Aufgaben übernehmen Sie in Ihrem Ehrenamt?
Beim Judo-Sportverein bin ich Behindertenbeauftragter und trainiere dienstags die Gruppe mit geistig beeinträchtigen Menschen. Aktuell besteht sie aus zehn Personen im Alter von 21 bis 55 Jahren. Neben dem Training betreue ich die Gruppe bei Veranstaltungen und Turnieren. Im April waren wir beispielsweise in Amsterdam bei den Special Needs Judo World-Games, wo acht Nationen vertreten waren und 400 Teilnehmer an einem Wochenende an den Start gingen. Vor kurzem boten wir einen Schnupperkurs im JSV an, zu dem Anfänger eingeladen wurden, die Sportart kennenzulernen. Es können sich auch Jüngere der Gruppe anschließen.
Was ist das Schwierigste daran?
Vielen Trainern liegt es am Herzen, allen Teilnehmern gerecht zu werden. Beim Behinderten-Judo gibt es drei Leistungsgruppen: weniger beeinträchtige Sportler, die auch mit nicht beeinträchtigen Personen trainieren können; Sportler, die regelmäßig trainieren und an Veranstaltungen teilnehmen können, und Sportler, die stärker beeinträchtigt sind, mit denen wir das Training spielerisch gestalten. Die Herausforderung ist, dass alle Leistungsgruppen entsprechend trainieren können. Wir haben zwar ein gemeinsames Trainingsprogramm, sind aber in der Gestaltung flexibel. Dann kann das Training auch spontan an den Leistungsstand der Teilnehmer angepasst werden.
Was war das kurioseste Erlebnis?
Es gab viele besondere Momente, einer ist mir besonders in Erinnerung geblieben: Vor einigen Jahren waren wir mit der deutschen Delegation bei den Special Olympics World Games in Shanghai. Wir wollten in unserer Freizeit Land und Kultur kennenlernen und wurden mit dem Bus in die Stadtmitte gefahren. Zu unserer Verwunderung wurden wir dort von etwa 40 Polizisten eskortiert, während wir durch die Fußgängerzone flanierten.
Was reizt Sie an diesem Engagement?
Es ist die Begeisterung der Sportler, die mich mitnimmt – sowohl für den Sport als auch für die Turniere und Veranstaltungen an denen wir teilnehmen. Sie gehen unbefangen in Wettkämpfe, sie freuen sich. Und wenn sie mal ein Kampf verlieren, fühlt es sich für sie dennoch so an, als hätten sie gewonnen. Ein großes Erlebnis für unsere Speyerer Judogruppe war beispielsweise die Teilnahme an den Special Needs Judo World-Games in Amsterdam. Sie haben noch Wochen später davon geschwärmt und ihre Pokale stolz im Training präsentiert. Diese Begeisterung erfreut mich immer wieder.
Wissen die Menschen Ihren Einsatz zu schätzen?
Ja, denn die Teilnehmer sind sehr ehrlich. Man wird gerne in den Arm genommen, sie sagen, wenn es ihnen gefällt, aber auch, wenn sie etwas nicht so toll fanden. Wenn ich aus dem Urlaub komme, kann es sein, dass ich höre: „Jürgen, das nächste Mal gehst du aber nicht so lange.“ Man hört und spürt die Wertschätzung.
Welchen Tipp würden Sie Anfängern mitgeben?
Die meisten scheuen sich, ein Training anzubieten. Daher mein Tipp: einfach mal trauen! Die Trainer C-Lizenz mit Grundqualifikation reicht für den Anfang aus. Das Training mit geistig beeinträchtigen Menschen ist nicht so komplex, wie es sich vermuten lässt. Je länger man gemeinsam trainiert, desto eingespielter wird man. Der zweite Tipp wäre: Die Sportler so zu behandeln, wie andere, die nicht geistig beeinträchtigt sind. Mein dritter Tipp: eine Umarmung für den Sportler bereithalten, falls man nicht weiter weiß.
Zur Person
Jürgen Teutsch, 54, Haustechniker im Seniorenzentrum, ist seit 2022 beim Judo-Sportverein SV ehrenamtlich aktiv. Dort trainiert er die ID-Judoka des Vereins, Menschen mit einer geistigen Behinderung. Teutsch ist seit 1997 Judo-Trainer, seit 2004 bietet er Training für geistig beeinträchtigte Menschen an. Zuvor war er in Bad Kreuznach aktiv, sowohl in der Lebenshilfe-Werkstatt als auch beim VfL 1848 Bad Kreuznach. Er ist Sportkoordinator für den Bereich Judo beim Special-Olympics Verband Rheinland Pfalz sowie Behindertenreferent beim Judoverband Pfalz. Im JSV ist er Behindertenbeauftragter. Er lebt in Bad Schönborn. In seiner Freizeit widmet er sich seinem Gemüsegarten. Außerdem ist er gerne mit dem Rad und dem Familienhund Joschi unterwegs.