Speyer Diözesankirchenmusikdirektor Degen zum „Instrument des Jahres“

Die 2011 geweihte große Orgel im Speyerer Dom: Der Prospekt (die Schauseite) ist von Stararchitekt Gottfried Böhm.
Die 2011 geweihte große Orgel im Speyerer Dom: Der Prospekt (die Schauseite) ist von Stararchitekt Gottfried Böhm.

Manfred Degen, Diözesankirchenmusikdirektor und Leiter des Bischöflichen Kirchenmusikalischen Instituts im Bistum Speyer, im Gespräch über die Orgel, die 2021 zum „Instrument des Jahres“ gekürt wurde. Er sagt, was ihn an der Orgel fasziniert und welche Angebote zum Erlernen des Instruments es im Bistum gibt.

Was ist für Sie persönlich das Faszinierende an der Orgel?
Das Instrument selbst in seiner klanglichen Vielfalt und technischen Ausgereiftheit hat große Anziehungskraft. In der Orgelmusik schätze ich die Fülle an kompositorischen Gestaltungsmöglichkeiten. Hier ist eine Dimension erreicht, wie sie nur von Orchesterwerken übertroffen wird. Hinzu kommen Merkmale, die zwar nicht direkt vom Musikinstrument ausgehen, aber insgesamt das „Phänomen Orgel“ prägen und seine Attraktivität ausmachen. Es sind dies die akustischen und architektonischen Besonderheiten des Kirchenraums und nicht zuletzt der besondere Anlass, zu welchem die Orgel meist erklingt.

Kann man das Orgelspiel eigentlich in jedem Alter erlernen?
Da sollte man keine Zahl nennen, abgrenzend bezogen auf Lebensalter, pauschal als Antwort auf diese Frage. Wer als älterer Mensch ernsthaft das Orgelspiel erlernen möchte, wird wohl auch den zeitlichen Aufwand nicht scheuen und die nötige Energie aufbringen. Jedenfalls gibt es in der Orgelausbildung der Diözese Speyer keine Altersbeschränkung nach oben. Von großer Bedeutung allerdings sind gegebenenfalls Vorkenntnisse im Spiel eines Instrumentes, idealerweise eines Tasteninstruments. Die Idee „Orgel als Erstinstrument“ wird zwar in methodischen Diskussionen und einschlägiger Fachliteratur einigermaßen berücksichtigt, die Erarbeitung grundsätzlicher Dinge jedoch – wie zum Beispiel Notenschrift – könnte sich als langwierig und mühsam darstellen. Rein körperliche Einschränkungen aufgrund höheren Alters – Beweglichkeit von Händen und Füßen, Belastbarkeit von Rücken, Schulter, Nacken – können individuell verschieden zudem eine Rolle spielen. Kinder könnten in ebenso jungen Jahren an der Orgel unterrichtet werden wie am Klavier. Sind die Beine noch zu kurz um mit den Füßen das Pedal (Fuß-Klaviatur) zu erreichen, kann man sich zunächst auf die Manuale (Hand-Klaviaturen) konzentrieren.

Wie sieht es mit dem Bedarf an Organisten in den Pfarreien aus? Finden Sie weiterhin genügend Menschen, die durch das Orgelspiel zu musikalisch gestalteten Gottesdiensten beitragen?
Natürlich ist auch in der diözesanen Kirchenmusikerausbildung der Zulauf nicht mehr so hoch wie in früheren Jahren. Um Zahlen sprechen zu lassen: Immerhin absolvieren im Bistum derzeit rund 60 jüngere, erwachsene und ältere Menschen eine Ausbildung in Orgel, Klavier, Chorleitung, Liturgik und den anderen kirchenmusikalisch relevanten Fächern.

In den Pfarreien ist nach unserer Wahrnehmung der Bedarf an Organistinnen und Organisten weitgehend gedeckt. Man erlebt, dass sich „Terminanfragen für Organistendienste“ der Pfarrbüros durch entsprechende E-Mail-Verteiler kurzfristig erledigen, dass also für alle Gottesdienste Organisten gefunden werden. Vereinzelt lediglich erreichen uns konkrete und dringende Bedarfsmeldungen. Dann bemühen wir uns nach Möglichkeit um Abhilfe. Wir, das sind die „Abteilung Kirchenmusik“ und das Team der Dekanatskantoren und BKI-Lehrer*innen.

Kontakt

Infos zur Kirchenmusik im Bistum: www.kirchenmusik-bistum-speyer.de, Infos zum Bischöflichen Kirchenmusikalischen Institut: www.kirchenmusik-bistum-speyer.de/bischoefliches-kirchenmusikalisches-institut/

Zur Sache I

Die Orgel gilt als Königin der Instrumente und ist das größte aller Musikinstrumente, das tiefste und höchste, das lauteste und leiseste. Seit 2017 sind Orgelmusik und Orgelbau durch die Unesco als Immaterielles Kulturerbe anerkannt. Der Pfälzer Organist und Musikwissenschaftler Michael Kaufmann hat sich dafür besonders starkgemacht. Allein in Deutschland gibt es etwa 50.000 Orgeln. 2021 ist die Orgel von den Landesmusikräten zum „Instrument des Jahres“ gekürt worden.

Schon aus dem dritten Jahrhundert vor der Zeitrechnung sind Orgeln bekannt. Bei den Römern wurde auf Orgeln in den Arenen zu den nicht selten grausigen Spektakeln, bei denen auch die ersten Christen das Martyrium erlitten, gespielt. In christliche Kirchen des Abendlandes fand die Orgel so zunächst keinen Einzug. Erst im Laufe des Mittelalters wurde sie immer öfter in Kirchen eingebaut und eingesetzt. Ab dem späten Mittelalter war sie festes Inventar in Kirchen – und aus dem 15. Jahrhundert stammen die ältesten heute noch spielbaren Orgeln.

Zur Sache II

Die große Orgel im Speyerer Dom wurde 2011 fertiggestellt, erbaut von der Orgelbauwerkstatt Romanus Seifert & Sohn aus Kevelaer. Der am 9. Juni verstorbene Architekt Gottfried Böhm gestaltete für die Schauseite eine in vier Tiefenebenen gestaffelte, asymmetrisch nach rechts abfallende Pfeifenlandschaft. „Er hat uns damit ein eindrucksvolles Denkmal seiner Kunst hinterlassen“, würdigt Christoph Keggenhoff, Leiter des Referats Orgelbau des Bischöflichen Ordinariats, das Werk: „Gottfried Böhm, damals auch schon über 90 Jahre alt, ließ es sich nicht nehmen, das Entstehen der neuen Orgel zu begleiten und viele Detailfragen, zum Beispiel auch im Bauaufzug in gut 20 Metern Höhe direkt vor der Orgelfassade stehend, zu klären.“ Das dominierende Gestaltungselement der „Klangskulptur“ sei die Zinnpfeife. „Entstanden ist ein Kraft und Eleganz vereinendes singuläres Gesamtkunstwerk des 21. Jahrhunderts, welches als eigenständiges Element im Raum in einem spannenden Bezug zur Architektonik steht“, so Keggenhoff. Die Entwürfe von Böhm seien anfangs kontrovers diskutiert worden. „Um die Kritiker von damals ist es heute sehr still geworden und die Domorgel ist ein beliebtes Fotomotiv vieler Dombesucher aus nah und fern“, so Keggenhoff.

Manfred Degen: der Diözesankirchenmusikdirektor und Leiter des Bischöflichen Kirchenmusikalischen Instituts im Bistum Speyer.
Manfred Degen: der Diözesankirchenmusikdirektor und Leiter des Bischöflichen Kirchenmusikalischen Instituts im Bistum Speyer.
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