Speyer „Der Bürger stand für mich im Zentrum“

Hat hier viele Stunden seines Lebens verbracht: Manfred Mussotter im Ratssaal im Historischen Rathaus.
Hat hier viele Stunden seines Lebens verbracht: Manfred Mussotter im Ratssaal im Historischen Rathaus.
Warum haben Sie überhaupt für den Rat kandidiert?

Ich wurde 1993 im Alter von 53 Jahren pensioniert und fühlte mich eigentlich noch zu jung, um in den Ruhestand zu gehen. Und da mich Politik – auch aufgrund meines Berufes als Soldat – schon immer interessiert hatte, entschloss ich mich, in diesem Bereich etwas für meine Heimatstadt zu tun. Seit 1992 war ich bereits ehrenamtlich für die Kirche aktiv. Wann war Ihr „erstes Mal“? 1994 kandidierte ich zum ersten Mal für den Rat und landete auf Platz 43. Das reichte jedoch nicht für einen Platz im Stadtrat. Bei der nächsten Wahl im Jahr 1999 klappte es dann. Wie ist es überhaupt zu der Kandidatur gekommen? Unser damaliger Bürgermeister Hanspeter Brohm sprach mich an, ob ich bereit wäre für den Stadtrat zu kandidieren. Darüber hinaus wurde in Speyer-Ost ein Ortsverbandsvorsitzender gesucht. Der bis dahin amtierende Vorsitzende trat aus beruflichen Gründen nicht mehr an. Den Vorsitz hatte ich dann für zwölf Jahre inne. Wie oft wurden Sie insgesamt in den Rat der Stadt Speyer gewählt? Ich wurde vier Mal in Folge für jeweils fünf Jahre in den Stadtrat gewählt. Wie viele Stunden Ihres Lebens haben Sie im Ratssaal beziehungsweise Sitzungssälen zugebracht? Ich habe die Stunden nicht gezählt, sondern lediglich hochgerechnet: Im Stadtrat bestimmt an die 1200 Stunden, im Sozialausschuss 240 Stunden, im Jugendstadtrat 300 Stunden, für Besonderheiten wie Sondersitzungen und vergleichbare Anlässe noch mal 120, also unter dem Strich in 20 Jahren zirka 1850 Stunden. Dazu kommen noch zahlreiche Stunden in Sitzungssälen bei anderen Gremien und Organisationen wie für die Metropolregion Rhein-Neckar. Das erscheint mir fast etwas zu tiefgestapelt? Ich sagte Ihnen ja, ich habe es nicht akribisch aufgelistet. Was lernt man bei dieser Arbeit über sich und andere Menschen? Über mich: Wann und wo man kompromissbereit sein muss und wo man seine eigene Linie kompromisslos durchsetzen muss. Über andere: Man lernt die Menschen von ihrer politischen Seite kennen. Ihre Denkweise und ihre Einstellungen. Ein Beispiel: Man trifft sich in der Stadt, oder privat in entspannter Atmosphäre, unterhält sich und ist gut gelaunt. Am nächsten Tag sitzt man sich in der Stadtratssitzung gegenüber, ist politisch völlig anderer Meinung und muss sich mit der gleichen Person auseinandersetzen. Das finde ich spannend. Aber wichtig ist, dass man sich hinterher wieder in die Augen schauen kann und sich wieder in entspannter Atmosphäre über andere Dinge unterhält. Was lernt man über Politik? Man lernt, wie Demokratie in der Praxis funktioniert. Und dass sich unsere Regierungsform, die parlamentarische Demokratie, die ich für eine der besten Regierungsformen überhaupt halte, auch auf kommunaler Ebene im Stadtrat widerspiegelt. Man lernt außerdem sehr schnell, wie schwer manche politischen Entscheidungen sein können und wie lange und intensiv sich ein Politiker mit manchen Themen beschäftigen muss, um eine gute Entscheidung zu treffen. Warum ist es notwendig, sich in dieser Weise zu engagieren? Jeder kann sich politisch engagieren. Und jeder sollte es auch tun. Der Eine mehr, der Andere weniger. Denn nur so kann ich auch etwas bewegen und ändern. Hat die Rats-Arbeit Ihr Vertrauen in Demokratie gefestigt? Grundsätzlich: ja. Wem ist ein Stadtratsmitglied mehr verpflichtet, seiner Partei oder dem Bürger? Ich kann das nur für mich beantworten. Sicher spielt auch die Partei eine gewisse Rolle. Aber ich habe mich immer zuerst dem Bürger verantwortlich gefühlt. Was hat Sie in all den Jahren politischer Arbeit im Rat geärgert? Die „überlangen“ Reden von einigen Rednern bei den Sitzungen. Nach dem Motto: „Lange Rede, kurzer Sinn“. Umgekehrt wäre mir lieber gewesen. Was hat Ihnen immer Spaß gemacht? Wenn nach kontroversen Auseinandersetzungen und Diskussionen am Ende einer Sitzung eine Entscheidung zum Wohle unserer Stadt und der Bürger getroffen wurde. Wenn ich von Bürgern angesprochen wurde, freute ich mich über Lob und auch über konstruktive Kritik. Gibt es ein Thema, das über die Jahre immer wieder kam? Ein außergewöhnliches Thema fällt mir nicht ein. Aber was immer wieder zu vielen Debatten führte, war der Haushalt. Wie schwer fiel Ihnen die Entscheidung, jetzt aufzuhören? Ich schaue zufrieden auf die 20 Jahre im Stadtrat zurück und freue mich darüber, Entscheidungen für unsere Stadt mitgetragen zu haben. Aufgrund meines Alters, ich werde bald 79, fällt mir die Entscheidung nicht schwer. Würden Sie heute wieder kandidieren, wenn Sie jünger wären? Ja, ich würde alles wieder genauso machen. Wie lautet Ihr Rat an Bewerber, die jetzt zum ersten Mal kandidieren? Gut zuhören, immer eine eigene Meinung bilden, hart aber fair bleiben und immer für die Bürger unserer Stadt handeln. Zur Person Manfred Mussotter ist 1940 in Pforzheim geboren. Im Zweiten Weltkrieg ist seine Familie dort evakuiert worden. Seine Heimatstadt ist zerbombt worden. Er landete im Elsass. Seine Mutter kam mit ihren sechs Kindern gerade noch bei Kehl über den Rhein zurück, bevor die Brücke gesprengt wurde. Mussotter hat nach dem Besuch der Volksschule Schmucksteinfasser und Goldschmied gelernt und auch in dem Beruf gearbeitet. Im April 1961 („Da war ich 21 Jahre alt, vorher hat es der Vater nicht erlaubt“) ging er zum Militär. 28 Jahre lang war er als Berufssoldat beim Fernmeldebataillon in Bad Bergzabern stationiert, am Schluss noch vier Jahre in Mannheim. Im Rang eines Stabsfeldwebels ging er 1993 in Ruhestand – und startete anschließend seine politische Karriere im Stadtrat für die CDU. Mussotter ist darüber hinaus in vielen Bereichen ehrenamtlich engagiert. Unter anderem war er über 25 Jahre im und für das Presbyterium, in verschiedenen Ausschüssen und in der Bezirkssynode aktiv. Er wurde für sein Engagement zuletzt 2015 mit der Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Der Ordensträger war auch Initiator und Organisator der „Friedhofsglocke Speyer“, ist als Schöffe beziehungsweise ehrenamtlicher Richter am Amtsgericht und am Sozialgericht Speyer tätig und engagiert sich im Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge.

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