Speyer Das Kind, das alles sagen darf

Ulrike Weiß hat einen Traum: ein eigenes Programm, anderthalb Stunden lang, mit Nebel und Lichteffekten, guten Gags und toller Stimmung. Die ersten Schritte auf dem langen Weg dorthin hat die 45-jährige Speyererin bereits getan. Die zurückliegende Fasnachtskampagne war für sie der Beginn einer neuen Karriere: als Bauchrednerin.

Es war am 10. Mai vor zwei Jahren, als sich eine gute Freundin von Weiß das Leben nahm. Die hatte eine Bauchredner-Puppe. Und eben die ist Weiß im Traum erschienen. Über eine Internetplattform hat sie sich in der Folge eine ähnlich aussehende ersteigert. „Ich hab’ genau gespürt, dass ich etwas mit dieser Puppe machen möchte“, erinnert sie sich. Am naheliegendsten eben: bauchreden. Zweimal drei Wochenenden in einer Spezialschule bei Ulm reichten zunächst aus, um Weiß fit zu machen für das Sprechen ohne Mundbewegung. „Ich hab’ gleich gemerkt, das ist meins“, gibt die gebürtige Mannheimerin zu, die seit zwei Jahrzehnten in Speyer wohnt. Im Oktober vergangenen Jahres hatte sie bei einer Veranstaltung des Guggemusik-Vereins „Brezlkracher“ ihren ersten Auftritt. „Dass ich mit meinen Auftritten so einen Erfolg haben würde, hätte ich nie gedacht“, ist Weiß nach wie vor ganz überrascht, was diese Darbietung in Gang gesetzt hat. Anfragen en masse gingen bei der sympathischen Frau ein. Das Ergebnis: „Ich war die ganze Fasnacht über ausgebucht.“ An einem Abend hatte sie sogar mal vier Termine. Auftritte bis ins Badische hat ihr das Bauchreden beschert. Das größte Kompliment, das sie bislang erhalten hat, klingt Weiß in den Ohren: „Eine Frau hat zu mir gesagt: ,Jetzt saagen Se mol, wie se des gemacht hän. Wo macht mer donn die Bopp oo?’“ Es ist ein Beweis dafür, dass Weiß ihr junges Handwerk bestens beherrscht. Beruflich ist sie als Krankenschwester in der Notaufnahme, systemische Beraterin und Heilpraktikerin für Physiotherapie tätig. Die positiven Reaktionen haben sie im Bestreben bestärkt, mehr aus ihrem Hobby zu machen – die eigene Show wie gesagt. „Es brodelt in mir und ich hab’ ganz viele Ideen, aber es ist nicht so leicht, gute Gags zu schreiben“, berichtet Weiß. Die dynamische Domstädterin hat einige Puppen, mit denen sie auftritt, selbst gebaut. Mittlerweile tummeln sich auf der heimischen Couch Psychiater „Dr. Lemmerle“, Diva „Zara“, Wurm „Reni“ und neben der mittlerweile weithin bekannten „Line“ jetzt auch das Zwillingspendant „Trine“. „Mein Traum ist eine Puppe mit beweglichen Augen“, verrät Weiß. Die kostet allerdings zwischen 2000 und 3000 Euro . Das Bauchreden ist für Weiß, die 16 Jahre in einer Psychiatrie gearbeitet hat, eine „Burnout-Prophylaxe“, wie sie es formuliert. Das Kind in sich kann sie durch ihre Puppe zum Leben erwecken, kann alles sagen, was ihr durch den Kopf schießt. „Denn eigentlich sagt sie es ja“, meint Weiß und lächelt. Auftritte kann sie sich überall vorstellen: bei Firmenfeiern, Geburtstagen, in Altenheimen oder auch bei Benefizveranstaltungen. Die Puppen seien für sie mittlerweile zu Familienmitgliedern geworden, sagt sie. Gemeinsam mit ihnen schauen Weiß und Freund Uwe zuhause fern, sie werden zum Schlafen zugedeckt und dürfen mit zu Veranstaltungen. Reden dürfen die Puppen in den eigenen vier Wänden natürlich auch, wie Weiß lachend bestätigt. Ihre Bekannten haben es längst akzeptiert: Freundin Kerstin Riepsam etwa sagt, es sei zunächst seltsam gewesen, wie integriert die Puppen bei Weiß sind. Mittlerweile schnallt aber auch sie „Line“ und Co. im Auto an, wenn die mal bei ihr zu Besuch waren.

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