Speyer Das gehört zu einem modernen Synagogenbau

Von außen: die Synagoge am Weidenberg, davor der von der Stadt gestiftete Menora-Leuchter.
Von außen: die Synagoge am Weidenberg, davor der von der Stadt gestiftete Menora-Leuchter.

Als eine der SchUM-Städte blickt Speyer auf eine bedeutende jüdische Tradition zurück. Mehrfach wurden die Gläubigen jedoch verfolgt und das Gemeindeleben zum Erliegen gebracht. Seit gut einem Jahrzehnt ist das nicht mehr so: In Speyer entstand damals einer von ganz wenigen Synagogenneubauten im Land – mit ganz besonderer Geschichte.

Schon Ende des 16. Jahrhunderts datierte ein tiefer Einschnitt für das jüdische Leben in Speyer. Erst Anfang des 19. Jahrhunderts kehrten Juden in die Stadt zurück und bauten eine Synagoge in der Maximilianstraße/Karlsgasse, die in der Reichskristallnacht 1938 niedergebrannt wurde. In den 1990er Jahren sorgten Immigranten überwiegend aus der früheren Sowjetunion wieder für jüdisches Leben vor Ort. In Rheinland-Pfalz wohnen heute rund 3300 Juden. Die Jüdische Kultusgemeinde der Rheinpfalz, zu der die meisten vorderpfälzischen Juden gehören, hat aktuell 562 Mitglieder. Obwohl der Großteil von ihnen nicht in Speyer wohnt, wurde die neue Synagoge, die sich die Gemeinde wünschte, in der Domstadt gebaut.

„Das haben wir dem ehemaligen Oberbürgermeister Werner Schineller zu verdanken. Das war ihm sehr wichtig“, sagt Marina Nikiforova. Die Geschäftsführerin der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz hat ihren Arbeitsplatz beim neuen Gotteshaus und kennt es bestens. Die Stadt Speyer war es, die der Kultusgemeinde das Grundstück mit der nicht mehr genutzten St.-Guido-Kirche zur Verfügung gestellt hatte. Nach den Plänen von Architekt Alfred Jacoby wurde die ehemalige Kirche in ein dreistöckiges Gemeindezentrum umgebaut, an das sich, mit einem Foyer verbunden, der neue Betraum anschließt. Die Grundsteinlegung fand symbolträchtig genau 70 Jahre nach der Reichskristallnacht, am 9. November 2008, statt.

2011 eingeweiht

Mit dem eigentlichen Bau wurde rund ein Jahr später begonnen. Nach zweijähriger Bauzeit wurde die Synagoge „Beith Schalom“ – das bedeutet „Haus des Friedens“ – am 9. November 2011 eingeweiht. Israel Epstein, Gemeindevorsitzender, durfte dazu auch den damaligen Ministerpräsidenten Kurt Beck und Bundespräsidenten Christian Wulff begrüßen.

Der Betraum ist ellipsenförmig. In der Mitte des Raumes steht die Bima, der Platz, an dem während des Gottesdienstes aus der Tora vorgelesen wird. Darum herum sind in zwei Reihen die Sitzplätze für die Männer angeordnet. Wie es die Tradition vorgibt, haben die Frauen ihre Plätze dahinter auf der linken Seite, abgetrennt durch einen halbhohen Sichtschutz. Vom Eingang aus blickt man auf den hohen Toraschrein, auf dessen Türen in hebräischer Schrift ein Psalmvers steht: „Wahrheit entsprießt dem Boden und Gerechtigkeit blickt vom Himmel“. Oben im Tora-Schrein leuchtet das ewige Licht. Die Fenster links und rechts mit Kerzen- und Davidstern-Motiven sind nach dem Entwurf des Gemeindemitglieds Marina Aschkenasi gefertigt. „Aus kugelsicherem Glas“, wie Nikiforova betont.

Sichtbare Symbolik

Verlängert man die Linie von Eingang zu Toraschrein, gelangt man zum Dom. Eine schöne Symbolik, findet Nikiforova, aber eigentlich zeigt es nach Südosten nach Jerusalem. Im angrenzenden Gemeindehaus befinden sich im Erdgeschoß unter anderem eine kleine Bibliothek und ein Musikzimmer, in dem der Chor die Noten und Gewänder aufbewahrt. Vom Seminarraum im ersten Obergeschoß kann man durch ein großes Fenster ins Foyer blicken. Aus dem Fenster an der Südseite sieht man im kleinen Park eine Skulptur der Menora, des siebenarmigen Leuchters. „Die hat die Stadt Speyer aufgestellt“, sagt Nikiforova und geht zum Fenster, das nach Norden zeigt. Dort hat die Gemeinde ihre Menora aus Pflanzen und Steinen angelegt. Auf dem Platz daneben wird im Herbst unter anderem das Laubhüttenfest gefeiert. Doch zurück zum Seminarraum: Dort treffen sich Gemeindegruppen wie der Seniorenkreis, aber auch Teilnehmer an Deutsch- oder Hebräischkursen oder Gäste von Nikiforovas Sprechstunde. Neben dem Seminarraum befinden sich in diesem Stockwerk noch Büros. In der kleinen Wohnung im Dachgeschoss übernachten am Wochenende die Kantoren, wenn sie Gottesdienst halten. „An Schabbes dürfen sie nicht Auto fahren“, erklärt Nikiforova.

Im Kellergeschoß befindet sich der große Gemeindesaal. Hier wird gefeiert, hier finden Veranstaltungen statt. Hinter dem Saal liegt die Küche, oder besser zwei identische Küchen: eine für Milchiges, eine für Fleischiges, denn selbstredend wird hier koscher gekocht. „Jude zu sein kann manchmal ziemlich kompliziert sein“, so Nikiforova lachend. Sie erklärt, dass der Herd nur von einer Jüdin angeschaltet werden darf. „Kocht jemand anderes, muss ich wenigstens mal umrühren.“

Kredit abbezahlt

3,5 Millionen Euro hat der Bau der Synagoge gekostet. Die Stadt Speyer hat die Baumaßnahme mit 555.000 Euro unterstützt, vom Land gab es 1,645 Millionen Euro. Den Rest finanzierte die Kultusgemeinde selbst. „Wir haben den Kredit gerade abgezahlt“, erklärt die Geschäftsführerin.

Klare Formensprache: der Gebetsraum.
Klare Formensprache: der Gebetsraum.
Besonderer Kultgegenstand: die Tora-Rolle.
Besonderer Kultgegenstand: die Tora-Rolle.
Prägend: der Blick vom St.-Guido-Stifts-Platz.
Prägend: der Blick vom St.-Guido-Stifts-Platz.
Eindrucksvoll: Gedenktafel.
Eindrucksvoll: Gedenktafel.
Vitrine: Ausstellung im Gotteshaus.
Vitrine: Ausstellung im Gotteshaus.
Aus der Luft: das Ensemble am Weidenberg.
Aus der Luft: das Ensemble am Weidenberg.
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