Speyer Corona: Genesen ist noch lange nicht gesund

Dauerbelastung für Personal und Patient: Arbeit auf der Corona-Intensivstation wie am „Diak“.
Dauerbelastung für Personal und Patient: Arbeit auf der Corona-Intensivstation wie am »Diak«.

Hannelore Gulde legt sich nach dem Mittagessen hin. Beim Atmen „brennt“ ihr die Luftröhre. Das ist für ihren Partner Manfred Kinscher das Alarmsignal. Er selbst hat Kopfschmerzen, ist schlapp – und ruft den Hausarzt an. Drei Tage später ist klar: Er ist mit Sars-CoV2 infiziert – einer von bisher 101 Fällen in Speyer. 20 Tage Klinik folgen. Dann ist er genesen. Aber heute noch nicht der Alte.

„Das hat sie noch nie gemacht, seit wir uns kennen“, sagt der 78-jährige frühere Betriebsleiter im Gespräch mit der RHEINPFALZ über seine Erkrankung zum Verhalten seiner Partnerin. Er hat das Signal zum Glück richtig interpretiert. Der Hausarzt Dr. Harold Ritthaler hat ihm nach seinem Anruf und der Schilderung seiner Symptome sofort einen Termin im Abstrichzentrum vereinbart. Kinscher und Gulde sind aus Bad Füssing zurückgekehrt. Auf der Rückfahrt haben die Probleme schon begonnen. Husten, brennende Augen, Kraftlosigkeit. Gulde fröstelt. Unterwegs müssen sie sich am Lenkrad abwechseln. In der Halle 101 werden die Symptome als nicht dringend angesehen. Test gibt es nicht. Aber der Hausarzt macht selbst den Test bei Kinscher. „Ich bin bis heute nicht getestet. Aber ich hatte es auch“, betont Gulde. Beide bleiben sofort in häuslicher Quarantäne, schotten sich komplett ab.

Virus schlägt schnell zu

Bei Kinscher schlägt das Virus schnell richtig zu. „Innerhalb von drei Tagen ging es mir zunehmend schlechter. Schwäche, Müdigkeit, keinen Appetit.“ Trotz vielen Trinkens hat er keinen Harndrang. Stattdessen schwallartiges Erbrechen der Flüssigkeit und Fieber. Dr. Ritthaler weist ihn ins Diakonissen-Stiftungs-Krankenhaus ein.

„Da war ich schon so schwach, dass ich kaum mehr stehen konnte. Erst da wurde mir klar, wie schwer ich erkrankt war“, erinnert sich Kinscher. Seine Selbstdiagnose ist völlig richtig. In der Klinik folgt das volle Programm. Beobachtungsstation, Intensivstation, Beatmung. Dabei Lunge stabilisieren, Fieber senken. Weil der Patient immer bei Bewusstsein bleibt, wird an ihm die Beatmung mit Maske probiert. Dabei muss der Patient selbst stark mitarbeiten. Bei Kinscher gelingt das. „Er ist erst der dritte Patient mit dieser Methode“, sagen Dr. Dennis Mangold, Oberarzt auf der Intensivstation, und Stationsleiterin Bihan Iscan.

Schlimme Tage und Nächte

„Ich war patschnass geschwitzt, die Maske verrutscht, mein Atmen brachte ich zunächst nicht überein mit dem Rhythmus der Maschine und mein Fieber sank nicht“, berichte Kinscher über schlimme Tage und Nächte. Da habe er sich wirklich gesorgt, ob er das alles wohl übersteht. Zuversicht geben dem Christen das Läuten der Glocken und viele Postkarten von Freunden und Bekannten. Die Therapie schlägt an. Es geht Kinscher täglich besser. Nach 20 Tagen Klinik und 41 Tagen Quarantäne, also zwei Monaten Krankheit , kann er als genesen und um fünf Kilogramm leichter das Krankenhaus verlassen. Fit wie früher ist er heute noch nicht. „Das Wichtigste ist uns aber geblieben, unser Leben“, sagt er. Seine Partnerin übersteht die Krankheit allein zuhause, ähnlich schwach. Auch sie verliert Gewicht.

Kinscher klagt noch über ausgeprägte Kurzatmigkeit vor allem beim Treppensteigen. Radfahren klappe schon wieder. „Die Lungenfunktion sollten Sie beim Hausarzt überwachen lassen“, rät Dr. Mangold. „Ich freue mich, Sie so zu sehen.“

Zur Sache: Bewertung des Mediziners

„Atemnot, Kraftlosigkeit und hohes Fieber wie bei Herren Kinscher mit fast 40 Grad sind häufige Symptome der neuen Viruskrankheit“, sagt Dr. Dennis Mangold auf Anfrage der RHEINPFALZ. Klar sei auch, dass das Virus nicht ausschließlich die Lunge befällt. Bei Manfred Kinscher hätten sich zum Beispiel Auswirkungen auf den Magen-Darm-Trakt und die Nierenfunktion gezeigt. Welche längerfristigen Folgen Covid-19 beim Menschen verursachen kann, ob etwa die Höhe der Dosis des Virusbefalls entscheidend für den Ausbruch sei, sei noch Gegenstand der Forschung.

Gesucht werde nach wie vor ein Medikament und ein Impfstoff. Bis es soweit ist, sei die AHA-Regel absolut zu beachten: Abstand – Hygiene – Alltagsmaske, betonte der Mediziner. Und lieber einmal mehr zum Arzt. „Und zwar immer, wenn einem etwas an sich auffällt, was noch nie so war. Manfred Kinscher hat da ganz richtig gehandelt.“

Der lobte das deutsche Gesundheitssystem und fasste „sein Corona“ so zusammen: „Ich wünsche die Krankheit meinem schlimmsten Feind nicht.“ Am Dienstag gab es weder einen Verdachts- noch einen bestätigten Fall in der Klinik.

Experten unter sich: Corona-Patient Manfred Kinscher (Zweiter von links) erläutert Hannelore Gulde die Beatmungsmaske. Rechts da
Experten unter sich: Corona-Patient Manfred Kinscher (Zweiter von links) erläutert Hannelore Gulde die Beatmungsmaske. Rechts daneben Dr. Dennis Mangold und Stationsleiterin Bihan Iscan.
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