Speyer/Basel/Treviso CD „Vespro di Natale“ mit in der Pfalz bekannten Musikern

Bei den Aufnahmen in Santa Caterina in Treviso mit der großen Orgel: Andrea Marcon am Pult von La Cetra.
Bei den Aufnahmen in Santa Caterina in Treviso mit der großen Orgel: Andrea Marcon am Pult von La Cetra.

Es ist ohne Zweifel DIE Weihnachtsplatte des Jahres: die „Vespro di Natale“ mit Musik von Monteverdi und Zeitgenossen. Andrea Marcon hat sie mit La Cetra Basel eingespielt.

Was lange währt ... Schon 1998 hat der italienische Dirigent, Organist und Cembalist Andrea Marcon, einer der ganz großen Protagonisten der Alte-Musik-Szene in unserer Zeit, eine Vespermusik mit Werken von Claudio Monteverdi und seinen Zeitgenossen zusammengestellt – so wie sie in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts im Markusdom in Venedig erklungen sein könnte. Marcon hat im Lauf der Jahre sein Projekt weiterentwickelt. Mit einer nichtweihnachtlichen Version gastierte er auch am 31. Mai 2007 im Dom zu Speyer, damals mit dem Venice Baroque Orchestra und der Cappella Gregoriana di Venezia. Von dem Dom als Aufführungsort zeigte sich der Maestro damals übrigens sehr begeistert.

2009 übernahm Marcon die Leitung des Ensembles La Cetra (Die Leier, benannt nach einer Sammlung von Vivaldi) in Basel, das sich vor allem aus Studierenden und Ehemaligen der legendären Schola Cantorum Basilensis zusammensetzt. Mit La Cetra, einem Barockorchester und Vokalensemble ersten Ranges, hat er dann dieses Projekt als „Vespro di Natale“, als Weihnachtsvesper, mehrfach in Basel und an anderen Orten (unter anderem 2018 im Festspielhaus Baden-Baden) mit großem Erfolg aufgeführt. Und das mal in großer, mal in solistischer Besetzung. Es entstand die Idee einer CD-Aufnahme der Vesper in großer Besetzung. Diese wurde im Sommer 2021 dann möglich – an einem besonderen Ort und mit einem ganz besonderen „Protagonisten“.

Grandios und prachtvoll

In Treviso, der Heimat Andrea Marcons, steht in der Kirche Sancta Caterina, die heute ein Museum ist, eine 1998 von Francesco Zanin erbaute große Orgel, die dem Vorbild barocker Orgel im Veneto folgt und mitteltönig gestimmt ist. Mit dieser Orgel ist es möglich, Monteverdis venezianische Kirchenmusik klanglich in der Weise zu spielen, wie sie wohl vor rund 400 Jahren in San Marco erklungen ist. Dort gab es auch ähnliche Orgeln, die aber nicht erhalten sind. Registerangaben zum Generalbass im Notentext Monteverdis belegen, dass er seine Kirchenmusik unter Mitwirkung einer großen Orgel aufführte.

Da im Sommer 2021 das Museum in Treviso wegen Corona noch geschlossen hatte, konnte La Cetra unter Andrea Marcon dort dann ungestört die Vespermusik aufnehmen.

Das nun vorliegende Ergebnis ist schlichtweg grandios und prachtvoll.

Mitreißender Motivator

Andrea Marcon ist ein mitreißender Motivator am Pult, das weiß, wer je unter seiner Leitung gespielt oder gesungen hat. Und diese Begeisterung ist auch bei der phänomenalen Weihnachtsvesper, gewiss einem Herzensprojekt von ihm, zu spüren. Zusammen mit dem einmaligen Klangzauber durch den Einsatz der Orgel auch in den solistisch besetzten Stücken wird ein Meilenstein in der Interpretation der Musik um 1700 gesetzt, wird eine Sternstunde in der Monteverdi-Rezeption dokumentiert.

Den Schwerpunkt der 90-minütigen Vesper aus Psalmvertonungen, Antiphonen, Motetten, Canzonen und dem obligatorischen Magnificat bilden Stücke von Monteverdi aus dessen venezianischer Sammlung „Selve morale e spirituale“. Anders als bei der 1610 im Druck erschienenen Marienvesper, bei der zumindest die Möglichkeit besteht, dass sie als ein großes Werk gedacht ist, ist der „Moralische und geistliche Wald“ ein reines Kompendium geistlicher Stücke für die Kirchenmusik am Markusdom in Venedig, wo Monteverdi 30 Jahre als Kapellmeister wirkte.

Doch zusammen mit Kompositionen von Alessandro Grandi, Francesco Usper, Giovanni Gabrieli und Giovanni Valentini stellt Andrea Marcon bei „seiner“ Vesper unter weihnachtlichen Vorzeichen einen geistlich-musikalischen Zusammenhang her, der bei aller stilistischen Vielfalt der einzelnen Werke von einem absolut zwingenden roten Faden getragen ist.

Wo Milch und Honig fließen

Aus Monteverdis Marienvesper ist die Einleitung übernommen, doch die folgenden Psalmen und das große Magnificat aus des Meisters venezianischer Zeit zeigen den gleichen singulären kompositorischen Rang wie die Teile der Vesper von 1610. Neben bekannten Stücken wie dem mitreißenden Beatus vir sind auch höchst aparte Raritäten zu erleben, vor allem bei den solistischen Stücken, die für den weihnachtlichen Kontext sorgten. Dazu gehören zwei freudig gestimmte Motetten für zwei Gesangsstimmen von Alessandro Grandi. Besonders ausdrucksvoll ist Monteverdis Concerto „Venite, sitientes, ad aquas“ mit Alice Borciani und Francesca Cassinari, bei dem übertragen und wörtlich Milch und Honig fließen. Carlos Mena besingt in einem Solo von Giovanni Valentini das Mysterium der Weihnacht.

Nicht zuletzt im großen Magnificat zeigt sich Monteverdis geniale Satzkunst und Meisterschaft in der Textausdeutung dank des inspirierten und hochkarätigen Vortrags aufs Schönste und Anregendste. Ein jubelndes Cantate Domino zu sechs Stimmen von Monteverdi setzt den strahlenden Schlusspunkt.

In dem Concerto „O felix, o lucidissima nox“ von Alessandro Grandi singt neben Sopranistin Alice Borciani der Altus Matthias Lucht das Solo.

Monteverdi am Montag

Der in Mannheim lebende Altus ist Mitglied im La Cetra Vokalensemble und tritt regelmäßig in dessen Konzerten auf (auch im Balthasar-Neumann-Chor von Thomas Hengelbrock singt er regelmäßig). Matthias Lucht hat in Basel an der Schola Cantorum studiert und ist seit dieser Zeit bei La Cetra aktiv. Bei der Speyerer Aufführung 2007 war er auch dabei.

Den Dom kennt er natürlich bestens, denn er singt hier beständig als Mitglied der Capella Spirensis. Er arbeitet fest mit der Speyerer Dommusik zusammen, auch als Stimmbildner. Am zweiten Feiertag ist er um 10 Uhr im Gottesdienst mit Monteverdi live im Speyerer Dom zu hören – mit der Missa in illo tempore.

Die Aufnahmesitzungen in Treviso waren auch für Matthias Lucht eine spannende und positive Erfahrung. Er kennt die Stücke aus Monteverdis „Selve morale e spirituale“ sehr gut, auch von einem anderen Aufnahmeprojekt, und betont, dass die besten Stücke daraus gewählt wurden. Auch von den instrumentalen Teilen ist er sehr angetan – und das Musizieren vor und mit dieser großen Orgel hat auch ihn stark beeindruckt.

Motetten von Isabella Leonarda

Nicht nur wegen Monteverdi am Montag im Dom geht für Matthias Lucht die Beschäftigung mit italienischer Musik des 17. Jahrhunderts weiter. Vor einigen Jahren schon hat er mit dem Cembalisten Jürgen Banholzer eine erste gemeinsame CD „Il Pesarino“ mit Werken des venezianischen Barocks aufgenommen – und das Programm auch im Dom vorgetragen. Nun arbeiten beide an einem neuen Projekt zur Musik der Nonne, Komponistin, Sängerin und Musikerin Isabella Leonarda (1620-1704). Sie hat eine Reihe von Solomotetten für Alt und Generalbass komponiert.

Matthias Lucht ist sehr begeistert von Qualität und Ausdruck dieser Musik. Anfang Dezember gab er damit ein Konzert in Mannheim. Die CD-Aufnahme wird im Frühjahr folgen – und ein Konzert mit diesen Stück im Dom wäre sehr zu wünschen.

Übrigens: Ein Musiker, der in der Pfalz von vielen Konzerten gut bekannt ist, und auch bei der „Vespro di Natale“-CD beteiligt ist, ist der Posaunist Hennig Wiegräbe.

Im Dom zu Speyer ist Matthias Lucht regelmäßig zu hören: Hier bei einer Andacht in der Adventszeit vor einem Jahr.
Im Dom zu Speyer ist Matthias Lucht regelmäßig zu hören: Hier bei einer Andacht in der Adventszeit vor einem Jahr.
Detail aus dem Cover der CD: Erschienen bei der Deutschen Grammophon Gesellschaft.
Detail aus dem Cover der CD: Erschienen bei der Deutschen Grammophon Gesellschaft.
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