Speyer Briefe an die Lokalredaktion:

Ich glaube ihm, dass seine 17-jährige Tochter den Kredit „für einen Studienaufenthalt in Kanada“ brauchte, obwohl sie mit 17 noch nicht mal Abitur haben konnte. Ich glaube ihm, dass er überhaupt „nur mit dem Kreditsachbearbeiter“ zu tun hatte, der über solche Summen locker verfügen konnte. Ich glaube ihm, dass er beziehungsweise seine Tochter keinerlei Sonderkonditionen erhalten hat. Ich glaube ihm, dass er die Offenlegung dieses Kreditgeschäfts von der Sparkasse fordert, wohl wissend, dass dies nicht geschehen darf. Ich glaube ihm, dass er sich keiner Schuld, höchstens einer Mogelei in Sachen Vormundschaftsgericht bewusst ist, aber damit steht er in einer Reihe mit anderen honorigen Bürgern „dieses unseres Landes“ – von Strauß bis Niersbach, von Transplantationsprofessoren bis hin zu VW, ist also ein echter Sohn unseres Volkes. Ich glaube ihm, dass er in dieser Kreditangelegenheit nichts verantworten muss, sondern diejenigen verantwortlich sind, die ihm diesen Kredit so für seine Tochter förmlich aufgedrängt haben und gegen die jetzt der Staatsanwalt ermittelt. Ich glaube ihm, dass er die Schuld für das Aufdecken des 100.000-Euro-Missverständnisses beim „Saftladen Sparkasse“ sieht, deren Vorstände nicht mal eine solche Lappalie in ihrem eigenen Haus behalten können. Ich glaube ihm, dass er eine juristisch sehr bewanderte Tochter hat, welche die Rückzahlung eigentlich verweigern wollte, weil der Kreditvertrag nicht rechtmäßig war. Ich glaube ihm das alles und hätte ihn auch wieder gewählt, denn er ist ja der rechtspolitische Sprecher einer Landtagsfraktion – also ein Mann des Volkes, ein Vorbild für uns. Die damalige Werbekampagne für den OB-Kandidaten Hansjörg Eger empfand ich als ziemlich dümmlich. Ich habe ihn auch nicht gewählt. Mittlerweile hat sich aber mein Bild über den nunmehr amtierenden Oberbürgermeister Eger gänzlich gewandelt. Nicht nur seine Arbeit als OB hat mich beeindruckt, sondern auch sein Mutterwitz und sein trockener Humor haben es getan. Bei öffentlichen Anlässen und Veranstaltungen hat er mit humorvollem Witz auf Einlassungen reagiert. Sogar Gregor Gysi hat seinen Humor bei der Maikundgebung in der Walderholung sofort erkannt. Darüber hinaus hat der OB sich immer en passant auf ein Gespräch mit den Bürgern eingelassen. Deswegen will ich bei dem von Herrn Kief beschriebenen Umstand mit dem Wachmann nachsichtig reagieren. Nicht immer gelingt einem alles. Doch, die „Mauer“ steht immer noch – und zwar unsichtbar. Es werden natürlich keine Menschen an der Heiligensteiner Lärmschutzmauer erschossen, aber diese hohe Mauer symbolisiert die menschenverachtende Verkehrspolitik, die in diesem Ort seit Jahrzehnten grassiert. Schützt diese Mauer vor einer Autobahn? Einer Bundesstraße? Nein, es ist bloß eine kleine innerörtliche Kreisstraße mit Unmengen an Autos, die dort mit „Tempo 50“ vorbeifahren, und genau diese verlassen nicht den Ort, sondern fahren dann alle weiter durch die innerörtlichen Hauptstraßen. Wo ist hier ein Unterschied? Und die 2500 Hauptstraßenanwohner müssen diesen hausgemachten Verkehrslärm tagtäglich ertragen – ohne hohe schützende Mauer. Der Lärm ist so unerträglich und gesundheitsgefährdend, dass eine so unglaublich hohe Mauer gebaut werden musste. Das ist Sarkasmus wie im Bilderbuch. Eine schallende Ohrfeige für die veralberten Hauptstraßenanwohner, aber auch für die tatenlosen Verantwortlichen in der Politik und in den Behörden. Einfach nur skandalös. Auf Kosten der Gesundheit dieser Menschen werden also dreist Entscheidungen ohne Gesamtkonzept gefällt. Sie werden verantwortungslos im Stich gelassen – mit anderen Worten: Sie werden an allen lauten umweltverseuchten Straßen ohne Mauer, an der unsichtbaren Mauer „erschossen“ – Tag für Tag. Und das passiert seltsamerweise nur in Römerberg, wo in anderen Orten den betroffenen Menschen problemlos und rasch geholfen wird. Diese extrem hohe Mauer ist für mich ein Schandmal in Römerberg. Sie sollte als Mahnmal und Zeigefinger für sträfliche Versäumnisse in der katastrophalen Verkehrspolitik betrachtet werden. Ein weiteres peinliches Kapitel in der ewigen Tragödie Verkehr in Römerberg. Vielleicht eine neue Touristenattraktion fürs Fremdschämen? Ich schäme mich jedenfalls für diese sichtbare Verkörperung der Doppelmoral. „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen“. Vermutlich herrscht hinter dieser Römerberger Mauer eine verknöcherte „SED-Diktatur“, die sämtliche Verbesserungen der Lebensqualität bewusst und erfolgreich zu verhindern weiß.

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