Speyer Blutkrebs: Auf einmal geht’s um Leben und Tod

Mit Terrier Sunny derzeit nur auf dem Sofa statt auf Tour in Speyer-Ost: Andreas Weber.
Mit Terrier Sunny derzeit nur auf dem Sofa statt auf Tour in Speyer-Ost: Andreas Weber.

Das Leben einer Speyerer Familie ist in den vergangenen vier Monaten komplett auf den Kopf gestellt worden. Andreas Weber hat Blutkrebs. Er benötigt dringend eine Stammzellenspende, um zu überleben. Zusammen mit Gattin Bettina und der DKMS organisiert er eine Online-Registrierungsaktion. Er spricht offen über seine Krankheit.

„Uns ist bewusst geworden, wie fragil das Leben ist“, sagt Bettina Weber. Schon als das Ehepaar 2020 aus Ludwigshafen-Maudach nach Speyer gezogen ist, war Andreas Weber erkrankt. 2014 wurde bei ihm eine seltene Form von Blutkrebs festgestellt. Sie gehört zur medizinischen Kategorie der Myeloproliferativen Neoplasien (MPN), in der verschiedene Krankheitsbilder zusammengefasst werden (siehe „Stichwort“). Bis vor Kurzem konnte der 63-Jährige, dank seiner Medikamente, ein ziemlich normales Leben führen.

Das ändert sich im Sommer 2022 schlagartig. Weber fühlt sich plötzlich sehr schlapp, hat Schmerzen in Beinen, Hüfte und Rücken. Lange Untersuchungen folgen. Im Oktober steht fest, dass der Speyerer wohl nur überleben kann, wenn ein Mensch mit nahezu gleichen Gewebemerkmalen gefunden wird, der zur Stammzellspende bereit ist.

Lungenembolie im Frühjahr

Im April hatte Weber eine geplante Leisten-OP zu überstehen, danach entwickelte sich eine Lungenembolie bei ihm, die im Zusammenhang mit den vielen Blutplättchen aufgrund seiner MPN stehen könnte. Die gesundheitlichen Herausforderungen rissen seither nicht mehr ab. Weber musste nach dem Aufstehen schnell wieder auf die Couch, weil die Beine so schmerzten. Irgendwann war auch die Lendenwirbelsäule betroffen. „Es wurde immer schlimmer“, berichtet er.

Zuerst sei nach orthopädischen Ursachen gesucht worden, erst später der Verdacht auf seine Knochenmarkskrankheit gefallen. Blut werde im Hüft- und Wirbelsäulenbereich produziert, weiß er. Als er in der Uni-Klinik Mannheim die Diagnose erhielt, war klar: Sein Knochenmark verfasert, es werden inzwischen viel zu wenige Blutbestandteile produziert, es geht nicht mehr ohne neue Stammzellen.

Schlagartig in der Endphase

„Normalerweise entwickelt sich so was über mehrere Jahre, bei meinem Mann ist es schlagartig in der Endphase angekommen“, sagt Bettina Weber. Die Gründe seien auch für Mediziner rätselhaft. Viel habe wohl mit genetischen Fehlern zu tun. Das Leben der Familie sei nun „komplett auf den Kopf gestellt“. Sie seien „auf einmal mit existenziellen Fragen über Leben und Tod konfrontiert“. Die Ehefrau spricht von einem „Warten und Schwanken zwischen Hoffnung und Enttäuschung“.

Sie hätten sich geschworen, nicht aufzugeben, so die Gattin. „Irgendwo da draußen gibt es einen genetischen Zwilling von Andreas.“ Sie rufen zur Beteiligung an einer Online-Registrierungsaktion auf. Gesunde 17- bis 55-Jährige könnten sich ein Set für Gewebeproben nach Hause bestellen und damit vielleicht zum Lebensretter werden. Eine Typisierungsaktion vor Ort sei im Adventsstress nicht auf die Beine zu stellen.

Müde und antriebslos

„Heute ist ein guter Tag.“ So erklärt Andreas Weber, warum er das Videotelefonat mit der RHEINPFALZ vom Schreibtischstuhl aus führen kann und nicht wie sonst so oft auf der Couch liegen muss. Er nehme Schmerzmittel, sei alle drei Wochen auf eine Bluttransfusion angewiesen und gehe nur für Arztbesuche nach draußen. „Ich bin total anfällig, habe immer kalt, bin immer müde und oft antriebslos“, sagt der Speyerer, der bis 2015 als SAP-Berater tätig war. Wann er eine Stammzellenspende erhalten kann, sei derzeit ungewiss. Es sei aber dringend. Weber ist lange als Sportler aktiv gewesen, hat für die TuS Neuhofen eine Karate-Abteilung und eine Thai-Chi-Gruppe aufgebaut. Der Verein und der Sportbund hätten nun auch ihre Netzwerke aktiviert, um für die Typisierungsaktion zu werben, wofür die Webers sehr dankbar sind.

Das kinderlose Ehepaar hofft nun auch auf die Unterstützung möglichst vieler Speyerer. In die Stadt seien sie 2020 unter anderem gezogen, weil sie sich hier 1988 als Mitarbeiter der damaligen Firma Pan Isovit kennen und lieben gelernt hätten. „Wir haben hier immer viel Freizeit verbracht. Jeden Tag ist was anderes los. Es war ein Traum, hierher zu ziehen.“ Jetzt in der Krankheit komme ihnen die gute Infrastruktur nicht nur im medizinischen Bereich entgegen. Es tue ihm leid, dass er mit seinem West Highland White Terrier Sunny derzeit nicht Gassi gehen könne, so Andreas Weber. Die Nachbarschaft in Speyer-Ost vermisse ihn schon, frage nach und wünsche alles Gute. Auch deshalb sei der Schritt in die Öffentlichkeit nun kein Problem für ihn.

So ist Hilfe möglich

17- bis 55-Jährige können sich unter www.dkms.de/andreas die Registrierungsunterlagen nach Hause bestellen. Zugesandt werden dann drei medizinische Wattestäbchen für einen Wangenschleimhautabstrich und eine Einverständniserklärung. Die Gewebemerkmale der zurückgesandten Proben werden im Labor bestimmt und in die Karteien aufgenommen, von denen Patienten weltweit profitieren können. Auch Geldspenden können helfen, da laut DKMS – eine gemeinnützige Organisation zur Registrierung von Stammzellspendern – für die Aufnahme jeder Person Kosten von 40 Euro entstehen. Das DKMS-Konto hat die Iban DE78700400608987000430 (Verwendungszweck NWWW001).

Stichwort: MPN-Krankheiten

Die Abkürzung MPN steht für „Myeloproliferative Neoplasien“. Sie bezeichnet eine Gruppe seltener, bösartiger Erkrankungen des Knochenmarks, bei denen zu viele rote oder weiße Blutkörperchen oder Blutplättchen gebildet werden. Es handelt sich um chronische Leiden, die aktuell nur durch eine Stammzelltransplantation heilbar sind. Sie entwickeln sich meist langsam, sind teils schwierig zu erkennen. pse/Quelle: Kompetenznetz-leukaemie.de

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