Speyer Bischof spricht mit Ukrainern: „Habe Angst, dass es eskalieren wird“

Im Gespräch: Bischof Wiesemann mit einer Frau aus Odessa, ein Ukrainer (Mitte) übersetzt.
Im Gespräch: Bischof Wiesemann mit einer Frau aus Odessa, ein Ukrainer (Mitte) übersetzt.

Der Bischof Karl-Heinz Wiesemann hat das Begegnungscafé im Gemeindezentrum St. Hedwig besucht und sich dort mit Geflüchteten unterhalten, die ihr Leben retten wollten als Putins Bomben und Panzer im März in das Land eingefallen sind. Wiesemann hat sich die Geschichten der Betroffenen angehört, die sich alle ähneln, aber immer aufs Neue berühren. „Putin bricht das Völkerrecht“, sagt der Bischof und spricht von seiner Angst.

Seit April treffen sie sich jeden Mittwoch im Gemeindezentrum St. Hedwig: 30 bis 50 Menschen aus der Ukraine und ehrenamtliche Helfer der Pfarrei Pax Christi. Initiiert wurde das Café von Franziska Maier, der Referentin für Gemeindecaritas und Engagement-Förderung vom Caritas-Zentrum Speyer und dem Pastoralreferent der Pfarrei, Markus Lamm. Ehrenamtliche Helfer aus der Pfarrei sind immer dabei, und für die Kinder gibt es ein Spieleangebot. In dieser Woche hat Bischof Karl-Heinz Wiesemann dem Café einen Besuch abgestattet, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.

„Wo kommen Sie her? Was haben Sie erlebt?“, fragt Wiesemann an einem Tisch mit ukrainischen Frauen. „Ich komme aus dem Osten der Ukraine. Ich bin hier mit meinen Eltern und meinem fünfjährigen Sohn. Wir sind jetzt fünf Monate in Deutschland. Mein Mann ist noch in der Ukraine, er durfte nicht ausreisen“, erzählt ihm eine von ihnen. Ein Ukrainer, der schon länger in Deutschland lebt, übersetzt. „Wir sind nicht sofort geflohen, am Anfang waren wir noch zuhause und es fielen schon die Bomben, wir haben uns im Keller versteckt.“ Ihre Familie komme aus einem der Orte, in denen Putin in zwei Tagen sein sogenanntes Referendum abhalten lassen will. „Da leben nur noch etwa 20 Prozent der Menschen, die früher da gewohnt haben. Alle anderen sind geflohen und alles ist kaputt.“ Die Frau erzählt, dass ihre Familie nicht zurückzukehren wird. „Da kann man nicht mehr leben“, sagt ihre Mutter, die kopfschüttelnd neben dem Bischof sitzt.

Die Berichte ähneln sich: Alle haben nicht glauben können, dass der Krieg wirklich komme. Die, die aus der Ostukraine kommen, aus den Gebieten in Donezk und Luhansk, berichten, dass Putin am 24. April den Krieg erklärt habe, und es am Tag danach schon losgegangen sei mit den Bomben und Panzern in den Dörfern. Die Menschen im Café freuen sich über den Besuch des Bischofs, sie freuen sich darüber, dass er zuhört und nachfragt. Eine ältere Frau mit Kopftuch erzählt dem Bischof, dass sie zweimal fliehen musste: zum ersten Mal 2014 vor dem Krieg in Donezk. „Das wissen ja die Menschen oft gar nicht, aber da ging es ja schon los mit dem Krieg. Da gab es bei uns einen massiven Raketenbeschuss, unser ganzes Dorf wurde zerstört. Wir sind geflohen mit nichts, als mit dem, was wir anhatten“, erzählt sie.

Eine jüngere Frau berichtet von ihrer ersten Unterkunft in Deutschland: „Wir waren in einer Flüchtlingsunterkunft untergebracht und daneben war ein kleiner Flugplatz. Immer, wenn ein Flugzeug gekommen ist, haben die Kinder geweint und gedacht, jetzt kommt eine Bombe“, erzählt sie. „Früher haben wir Nachrichten gesehen vom Krieg in Syrien und es war für uns weit weg. Jetzt ist der Krieg bei uns und die Deutschen sehen das nur in den Nachrichten, und es ist für sie weit weg. Aber für uns nicht. Es ist sehr schwer: eine neue Sprache, eine andere Kultur, die Gedanken an die Tage und Nächte im Bunker, die Sorgen um die, die noch da sind. Und wir wissen nicht, was kommt.“

Wiesemann stellt Fragen, hört zu und sagt: „Unsere Ethik und unsere Moral war immer, dass wir Frieden ohne Waffen wollen. Es ist schwer für mich zu verstehen, dass das jetzt nicht mehr geht. Dass die Menschen in der Ukraine Waffen brauchen, von uns.“ Er sagt: „Putin bricht das Völkerrecht, er bricht die Menschenrechte, die Welt steht an einem Scheideweg und Sie alle sind so sehr und so persönlich davon betroffen“, und spricht über seine Furcht: „Ich habe Angst davor, so wie Sie, so wie alle, dass es eskalieren wird, dass Putin immer weiter machen wird.“ Er selbst habe keine Kriegserfahrung und kenne nur die Geschichten seiner Mutter, die Zwölf war, als der Zweite Weltkrieg ausbrach. „Und jetzt treffe ich Menschen, die dieselben Erschütterungen erleben, wie so viele damals. Die Herausforderungen, die sich aus diesem Krieg ergeben, sind sehr mächtig.“ Man müsse jetzt zusammenhalten.

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