Speyer Auge in Auge mit den Tigern
Es gibt nicht mehr viele Sumatra-Tiger auf der Welt. Im Heidelberger Zoo leben zwei der Raubkatzen, ein Männchen und ein Weibchen. Und die bekommen gerade viel Aufmerksamkeit. Sie sind Teil eines internationalen Zuchtprogramms. Andreas Fackel (36) ist Leiter des Raubtierreviers und somit wichtigste Bezugsperson der Tiger.
«» Sein Lieblingstier? Auf diese Frage reagiert Andreas Fackel ähnlich fassungslos wie ein Vater, den man nach seinem Lieblingskind fragen würde. Der Leiter des Raubtierreviers im Heidelberger Zoo liebt sie alle: die Elefanten und Löwen, die syrischen Braunbären, Pandas und Seelöwen. Aus bestimmten Gründen widmet er den beiden Sumatra-Tigern in diesen Tagen besondere Aufmerksamkeit. Karis merkt sofort, dass heute etwas anders ist als sonst. Andreas Fackel, den sie schon anhand seiner beigefarbenen Kleidung als ihren Tierpfleger zu identifizieren vermag, hat komische Leute mitgebracht: eine Frau mit einem Notizblock und einen Mann mit einer Kamera. Da hält sich die zweijährige Tigerdame lieber im Hintergrund. Zunächst einmal. Der Appetit auf das Stück Rindfleisch, das Fackel ihr jenseits der schweren Eisentür mit einer Zange entgegenhält, erweist sich irgendwann als zu verlockend. Und so entscheidet sich Karis dann doch für den unverhofften Snack zwischendurch. Bei Karis handelt es sich um eine neue Zoobewohnerin. Am 9. Mai kam der zweijährige Sumatra-Tiger aus England an. Die Verantwortlichen des ZSL London Zoo, der wie der Zoo Heidelberg am Europäischen Zuchtprogramm für die vom Aussterben bedrohten Sumatra-Tiger teilnimmt, haben entschieden, dass sie sich als Partnerin für den seit 2015 im Zoo Heidelberg lebenden Tiger Tebo eignen könnte. Tiger-Weibchen und Tiger-Männchen in ein Gehege, ab geht die Post, und etwa drei Monate später können die süßen Jungtiere bestaunt werden? So einfach ist es leider nicht. „Tiger sind Einzelgänger und leben deswegen in getrennten Bereichen“, erklärt Fackel. Zwischen den beiden befindet sich ein Gitter, das die Tierpfleger als „Hochzeits- oder Schmusegitter“ bezeichnen. Sollte sich in den nächsten Wochen herausstellen, dass die beiden Tiere miteinander harmonieren, wird am „Tag X“ das Gitter geöffnet. Hinweise darauf, dass die beiden harmonieren könnten, hat Fackel schon ausgemacht: So präsentiert Karis dem Tiger-Mann ihren Popo, eine sehr verletzliche Stelle ihres Körpers. Und beide „prusteln“ gerne miteinander, das heißt, sie schnurren auf eine bestimmte Weise. Dieses Verhalten habe Tebo seiner früheren möglichen Partnerin gegenüber, mit der es genetisch ebenfalls gut gepasst hätte, nicht gezeigt. Andreas Fackel ist einer von vier Pflegern, die sich um Tebo und Karis kümmern. Sie sollen nicht eine einzige Bezugsperson haben, damit das Unglück nicht so groß wäre, wenn diese Person in Urlaub ist oder es einen Wechsel im Team gibt. Fackel, der das Raubtierrevier seit November leitet, ist seit seiner Kindheit Fan von Elefanten und Großkatzen, Bären und Seelöwen. Der in Sichtweite zum Zoo geborene und in Schwetzingen aufgewachsene Junge hat schon als Kind viel Zeit in dem Tiergarten verbracht. „Tierpfleger wollen ja viele Jungs werden“, sagt der heute 36-Jährige. „Aber bei mir wurde es spätestens mit einem Praktikum im Karlsruher Zoo in der siebten Klasse konkret.“ Bei seiner Ausbildung zum Tierpfleger, die er 2002 in Heidelberg abschloss, kam er dann mit Raubtieren in Berührung. Wobei Berührung natürlich relativ ist. Die goldene Regel ist: Zwischen dem Pfleger und dem Tier muss sich immer eine Tür befinden. Den Merksatz „schließen, sichern, kontrollieren“ hat er seitdem an viele Kollegen und Praktikanten weitergegeben. In den Fällen, in denen Raubtiere ihre Pfleger in Zoos attackiert und getötet hätten, sei meistens ein Fehler des Menschen beim Abschließen nachgewiesen worden, sagt Fackel. Geht es allen Tieren gut? Fällt etwas auf? Sind Junge auf die Welt gekommen? Das sind die ersten Fragen, die Fackel nach Dienstbeginn um 7.30 Uhr klärt. Bis 16.30 Uhr ist er dann im Einsatz: Die Tiere müssen gefüttert, trainiert und beschäftigt, die Gehege sauber gemacht und neu eingerichtet werden. Zwischendurch beantwortet Fackel die Fragen von Zoobesuchern und freut sich über ihre staunenden Gesichter.