Speyer Am Tag des offenen Denkmals

Bei der Mikwe im Judenhof: Das Ensemble Lucidarium unter Leitung von Avery Gosfield (links) bringt unter dem Motto „Ritual Echoe
Bei der Mikwe im Judenhof: Das Ensemble Lucidarium unter Leitung von Avery Gosfield (links) bringt unter dem Motto »Ritual Echoes«jüdische Lieder des Mittelalters aus der Welt von SchUM.

Der Tag des offenen Denkmals wurde für das Bundesland in Speyer eröffnet. Im Judenhof stellte SchUM-Stipendiatin Avery Gosfield das Ergebnis ihres Projekts vor.

Die Eröffnung

Der Tag des offenen Denkmals für Rheinland-Pfalz und der Denkmaltag Rheinland-Pfalz wurden in Speyer eröffnet, in der Dreifaltigkeitskirche. Dazu war der mittlerweile für Denkmäler, Denkmalschutz und die Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) zuständige Innenminister Roger Lewentz nach Speyer gekommen. Veranstalterin des bundesweit stattfindenden Tags des offenen Denkmals ist die Deutsche Stiftung Denkmalschutz. Der Denkmaltag Rheinland-Pfalz ist der Beitrag der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) zu diesem Anlass und steht 2022 unter dem Motto „Steinerne Zeugen aus Renaissance und Barock“.

Nach Innenminister Lewentz’ Worten beteiligen sich in diesem Jahr rund 260 Kulturdenkmälern aus dem Bundesland am Tag des offenen Denkmals. „Mit ihrem Besuch zeigen die Menschen nicht nur ihr Interesse am kulturellen Erbe unseres Landes. Sie würdigen auch die Leistungen aller, die sich Tag für Tag für die Pflege und den Erhalt dieses Erbes einsetzen. Dies ist daher auch ein Tag der Vereine, Initiativen und Ehrenamtlichen, die sich für die Rettung und Instandsetzung ihrer historischen Denkmäler engagieren“, so Lewentz.

Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler zeigte sich sehr erfreut, dass der Tag des offenen Denkmals in diesem Jahr in Speyer eröffnet wird, wo das Stadtbild von zahlreichen Denkmälern entscheidend mitgeprägt sei. „Als einzige Stadt in Rheinland-Pfalz besitzen wir mit dem Kaiserdom und der SchUM-Stätte Judenhof zwei UNESCO-Welterbestätten, womit einmal mehr deutlich wird: Das Kulturerbe ist erhaltens- und schützenswert, denn es ist in Stein und Holz gehaltene Geschichte und wirkt zugleich bedeutend auf die Gegenwart ein“, so Seiler.

Zwei Millionen vom Land

2022 fördert das Land denkmalpflegerische Maßnahmen mit mehr als zwei Millionen Euro. Speyer ist dabei mit dem Dom, aber auch den SchUM-Stätten vertreten. Die letzte große Restaurierung der Speyerer Dreifaltigkeitskirche war im Jahr 2017 vom Land mit rund einer halben Million Euro unterstützt worden. Nach der Begrüßung durch Christiane Brodersen, die Vorsitzende des Presbyteriums der Dreifaltigkeitskirche, sprachen von der Generaldirektion Kulturelles Erbe auch Heike Otto, Ulrike Weber (sie bot eine kurze Beschreibung der Dreifaltigkeitskirche, ihrer Geschichte und ihrem Bildprogramm) und Roswitha Kaiser. Die musikalische Umrahmung übernahmen Simone Pepping, Mezzosopran, und Robert Sattelberger, Orgel.

„Ritual Echoes“

Der Tag des offenen Denkmals bot im Judenhof, dem sichtbaren Zeichen des Welterbes von Speyer als einer der drei SchUM-Städte, die Chance, das Ergebnis des auf SchUM und Speyer bezogenen Projekts der SchUM-Stipendiatin, der Musikerin und Musikwissenschaftlerin Avery Gosfield, zu erleben. Drei Mal wurde das gut halbstündige Programm „Ritual Echoes“ von dem Ensemble Lucidarium mit Carla Nahadi Babelegoto und Svetlana Kundish, Gesang, Élodie Poirier, Fidel, Gesang, sowie Averv Gosfield, Flöte, Einhandsflöte und Trommel, sowie Leitung und Konzeption geboten. Nicht im Judenbad, in der Mikwe selbst, wie ursprünglich geplant (die Aufführung dort wird filmisch dokumentiert), sondern oben, um möglichst viele Besucherinnen und Besucher zu erreichen.

Avery Gosfield hat bei ihrem SchUM-Stipendium zu mittelalterlichen Texten aus der jüdischen Welt in den SchUM-Städten eine passende Musik gesucht, um ihnen wieder eine klingende Gestalt zu geben. Wie damals üblich, kann das auch Musik aus einem anderen Zusammenhang sein, nur die Textstruktur muss auf die Melodie passen. So verwendet die Musikerin hier auch weltliche Musiken von französischen Troubadours.

Reflexionen der Verfolgung

Die eindrucksvollen Verse der jüdischen Poeten reflektieren nicht zuletzt die schlimmen Judenpogrome der damaligen Zeit, wie das von 1096, von denen gerade in den SchUM-Städten die jüdischen Gemeinden betroffen waren, oder das Massaker von 1288 in Troyes. Aber auch ein fröhliches Lied für das Wormser Purimfest hat Avery Gosfield eingerichtet.

Sie hat mit ihrem Projekt SchUM eine klingende Gestalt gegeben, die sehr eindrucksvoll ist. Und die von Lucidarium ausgesprochen zwingend vorgetragen wurde. Es ist natürlich eine Musik als ferner Zeit, die in der Tonsprache und der Klanglichkeit fremd anmutet. Sie muss anders gehört werden als die uns vertraute. Es war im Judenhof aber doch spürbar, wie authentisch und intensiv hier zum Ausdruck kommt, was die jüdischen Poeten in den SchUM-Städten mit ihren Texten aussagen wollten und wie stark hier nicht zuletzt das Schicksal der Verfolgung dokumentiert ist. Eingeflossen in das Projekt sind auch Erkenntnisse über die Bedeutung der rituellen Reinigung in der Mikwe und den vielen damit verbundenen Ritualen und Gedanken, die nicht zuletzt in SchUM entwickelt und niedergelegt wurden – und noch heute ihre Bedeutung haben.

Neta Bodner als wissenschaftliche und künstlerische Beraterin, Peter Se Lenhardt als Übersetzer und Enrico Fink unter anderem als Ausspracheberater haben das sehr spannende und gelungene Projekt unterstützt.

Im Dom

Führungen und Vorträge nahmen die 3600 Menschen Besucherinnen und Besucher am Dom mit zur Suche nach Spuren der Vergangenheit. Dem Motto des Denkmaltags „KulturSpur. Ein Fall für den Denkmalschutz“ folgend, beschäftigten sich alle Angebote mit Spuren der Veränderung. Ziel des Denkmalschutzes ist es, diese Spuren freizulegen und zu erhalten, da sie wesentlich zur Geschichte eines Gebäudes gehören, so wie Falten eines menschlichen Gesichtes eben auch etwas über die Vergangenheit eines Menschen erzählen.

Ein Gesicht stand im Fokus des Vortrags von Hermann-Josef Schwab, der sich seit Jahren intensiv mit der Grabplatte Rudolf von Habsburgs beschäftigt. Zeigt diese tatsächlich das Porträt des Königs? Was wurde über die Jahrhunderte an der Darstellung verändert? Schwab zeichnete in der Krypta minutiös nach, was er über den Urzustand und die Maßnahmen am Epitaph herausfinden konnte.

Ein weiterer Vortrag ging der Frage nach, wie wohl die Fenster des Doms ursprünglich ausgesehen haben und wie die heutige Fensterverglasung in den romanischen Dom passt. Die Glasmalerin und Kunsthistorikerin Anke Sommer verriet, dass der Dom von Anfang an über verglaste Fenster verfügte, die im Mittelalter eine Kostbarkeit waren. Durch Zerstörungen sind jedoch nur wenige Scherben der wechselnden Verglasungen erhalten geblieben. Die heutigen Fenster spiegeln daher keinen historischen Zustand wieder. Sommer plädierte hier stark für eine Umsetzung künstlerischer Gestaltungen, die dem Dom eher gerecht würden, als die derzeitige einfache Grissaille-Verglasung.

Auf dem Nord-Ost-Turm

Vorstände des Dombauvereins lenkten während Führungen den Blick auf die verschiedenen Bauphasen des Doms. Wieder wurde am Tag des offenen Denkmals ein Bereich geöffnet, der ansonsten für Besucher nicht zugänglich ist: diesmal der Nord-Ost-Turm. Dombaumeisterin Hedwig Drabik und Restaurator Roger Thamm informierten über Schäden und die geplanten Restaurierungsmaßnahmen. Mit einem Bauhelm ausgestattet, folgte gruppenweise die Besteigung des aus dem 11. Jahrhundert stammenden Turms bis zum ersten offenen Turmgeschoss.

Der Tag des offenen Denkmals am Dom zu Speyer wird traditionell vom Dombauverein gestaltet.

Eröffnung des Denkmaltags in der Dreifaltigkeitskirche: Innenminister Roger Lewentz spricht unter anderem auch über die Vereinba
Eröffnung des Denkmaltags in der Dreifaltigkeitskirche: Innenminister Roger Lewentz spricht unter anderem auch über die Vereinbarkeit von Denkmalschutz und Klimaschutz.
Im Nord-Ost-Turm: Dombaumeisterin Hedwig Drabik erklärt, was hier zu machen ist.
Im Nord-Ost-Turm: Dombaumeisterin Hedwig Drabik erklärt, was hier zu machen ist.
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