Speyer 35-jähriger Speyerer muss nicht in psychiatrische Klinik
Von dem 35-Jährigen seien auch in Zukunft Straftaten zu erwarten, sagte ein psychiatrischer Sachverständiger in seinem Gutachten. Eine ebenfalls in Erwägung gezogene Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik sei aber aufgrund der begangenen Taten nicht verhältnismäßig.
Auf dem Parkplatz eines Fast-Food-Lokals hat der 35-Jährige einem Polizisten mit der Faust ins Gesicht geschlagen und auf einem Campingplatz die Scheibe eines Wohnwagens mit einem Stein eingeschlagen. Zudem hat er Autos beschädigt, in seiner Wohnung Cannabis angebaut und eine Videoklingel zerstört. Verurteilt wurde er allerdings nur wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung in zwei Fällen und aufgrund des Anbaus von Cannabis.
Auch ein Freispruch
Zu den anderen in der Anklage aufgeführten Taten hat die Kammer das Verfahren teils eingestellt, weil sie beim Urteil nicht ins Gewicht fallen würden. Freispruch lautete das Urteil zu dem Vorwurf, der Mann habe in der Toilettenanlage des Speyerer Bahnhofs Feuer gelegt. Bei diesem Vorfall sei die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund des Konsums von Drogen und einer psychiatrischen Erkrankung aufgehoben gewesen, meinte der Gutachter. Eine Verurteilung ist dann nicht möglich.
Der Speyerer habe eine chronische Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis, sagte der Gutachter. Diese Schizophrenie sei wohl durch den langjährigen Konsum von Drogen entstanden.
Der Gutachter begründete seine Diagnose unter anderem damit, dass der Speyerer davon überzeugt sei, der Verfassungsschutz spritze ihm Medikamente in den Kopf und er werde von Handys und Computern beeinflusst. Auch glaube 35-Jährige, dass er eine Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADHS) habe, obwohl es dafür keine Anzeichen gebe. Zudem behaupte er seit Jahren, dass er starke Rückenschmerzen habe, die von einer Höhlenbildung im Rückenmark verursacht würde. Wegen dieser Schmerzen benötige er vor allem Cannabis, aber auch Amphetamin. Er wolle, dass ihm das Cannabis ärztlich verschrieben wird. Diese Höhlenbildung gebe es wirklich. Sie sei ein kleiner genetischer Defekt, der jedoch keine Schmerzen verursache, sagte der Gutachter, der auch Neurologe ist.
Der 35-Jährige habe „formale Denkstörungen“ und stelle „künstliche Zusammenhänge“ her, so der Gutachter. Zwar sei der Mann seit vielen Jahren drogenabhängig und habe eine „allgemeine Persönlichkeitsstörung“, doch stehe die Psychose im Vordergrund. Weil die Schizophrenie dominiert und der 35-Jährige nicht bereit sei, den Drogenkonsum einzustellen, sei eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht sinnvoll.
Für die Unterbringung in der geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Klinik seien die medizinischen Voraussetzungen erfüllt, urteilte der Gutachter. Auch eine weitere Voraussetzung liege vor: Es sei zu erwarten, dass der Speyerer aufgrund seiner Erkrankung weiter Straftaten begehen wird. Doch sei eine andere gesetzlich geforderte Voraussetzung für eine Unterbringung nicht erfüllt: Sie stehe nicht im Verhältnis zu den Straftaten.
Keine Einweisung
Der Gesetzgeber wolle, dass „die Gesellschaft bestimmte Sachen zu ertragen hat“, sagte Staatsanwältin Esther Bechert in ihrem Plädoyer. Für eine von der Staatsanwaltschaft ursprünglich in Erwägung gezogene Unterbringung würden die Voraussetzungen nicht vorliegen. Bechert plädierte für eine zur Bewährung ausgesetzte Haftstrafe von acht Monaten. Rechtsanwalt Daniel Gönnheimer sagte, dass er sich dem Plädoyer der Staatsanwältin im Wesentlichen anschließe. Zusätzlich verwies er darauf, dass die Kammer das Verfahren sehr lange habe liegen lassen. Aufgrund dieser „rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung“ müsse das Urteil milder ausfallen.
Gönnheimer informierte seinen Mandanten darüber, dass er aufgrund des neuen Cannabisgesetzes „kiffen“ könne, ohne damit eine Straftat zu begehen.
„Sie dürfen kiffen, da habe ich nichts dagegen“, sagte der Vorsitzende Richter Karsten Sauermilch in der Urteilsbegründung. Es wäre „nicht verhältnismäßig“ den 35-Jährigen wegen geringer Delikte „fünf bis zehn Jahre“ in einer psychiatrischen Klinik „wegzusperren“. Auf Bewährungsauflagen habe die Kammer verzichtet, da der Speyerer die nicht einhalten würde, sagte Sauermilch.