Speyer Öffentliche Geheimniskrämerei
. Sven Bluszcz weiß ganz genau, was er wann und wie äußern und verraten darf. Er ist eine Führungskraft in der Motorsportabteilung von BMW, war an der Entwicklung des neuen Fahrzeugs, dem M4 DTM, mit dem die Piloten der Bayern in zweieinhalb Wochen in die neue Saison des Deutschen Tourenwagen-Masters starten, beteiligt und kennt das Auto in- und auswendig. Dass allzu viele Details an die Öffentlichkeit geraten, womöglich sogar an die Konkurrenz von Mercedes oder Audi, möchte er natürlich vermeiden. Bluszcz redet gerade über ganz allgemeine Dinge. Das neue Auto habe zum Beispiel einen Vier-Liter-Motor mit acht Zylindern und zirka 500 PS, als sein Telefon läutet. Der Anrufer ist niemand geringeres als Bruno Spengler, der Vorzeigepilot von BMW und DTM-Meister von 2012. Bluszcz eilt aus der Werkstatthalle des Speyerer Autohändlers. Als er zurückkommt, fährt er fort: „1100 Kilo wiegt das Auto.“ Und kostet etwa eine Million Euro, ganz genau lasse sich das nicht sagen. Eigentlich sollte der Bolide in schicker Regenbogen-Optik, der während der Saison von Marco Wittmann, im vergangenen Jahr bester Neuling im Fahrerfeld, pilotiert wird, zu diesem Zeitpunkt am Sonntagmittag schon in seiner Garage auf dem Hockenheimring stehen. Weil dort aber das Jim-Clark-Revival stattfand, konnten die Teams nicht frühzeitig anreisen, um ihre Autos vorzubereiten. Kurzerhand baten die Verantwortlichen von BMW um „Asyl“ im Speyerer Autohaus Cuntz. Geschäftsführer Werner Schick ließ sich natürlich nicht lange bitten: „So eine Chance bekommt man nur einmal.“ Die Hallen wurden leer geräumt, auf dem Hof Platz gemacht für die sechs großen Trucks der Motorsportler. Vier Autos haben die Mechaniker ab Samstagmittag zusammengebaut. In der Hochphase wuselten bis zu 70 Monteure und Ingenieure über das Firmengelände, die teilweise auch die Nacht zum Sonntag durcharbeiteten. Zum Abschluss hat Schick seine Mitarbeiter eingeladen, einen Blick hinter die Kulissen der DTM zu werfen. BMW war einverstanden – und das macht auch den Reiz dieser Rennserie aus, die sich eine einzigartige Fan-Nähe auf die eigenen Fahnen schreibt. Wo sonst kommt man so nahe an ein echtes Rennauto heran, das keine 24 Stunden später den Sprint auf 100 Stundenkilometer in weniger als drei Sekunden bewältigt. Natürlich: Sobald die Motorhaube oder die Fahrertür geöffnet ist, ist fotografieren verboten. Hier ist auch Bluszcz rigoros. „Es ist immer schade, wenn man so eingreifen muss“, sagt er. Aber die Angst vor Nachahmung ist groß, da reiche ein falsches Bild in einem sozialen Netzwerk, sagt er. Bei aller Offenheit ist Motorsport auch sehr viel Geheimniskrämerei. Kurz bevor die letzten Trucks am Sonntagnachmittag zum Hockenheimring aufbrechen, biegt ein mattschwarzer M5, eine Sportlimousine mit 560 Pferdestärken, wummernd und dröhnend auf das Gelände des Speyerer BMW-Händlers ein. Die Farbe des Wagens mit dem Schweizer Kennzeichen erinnert den geneigten DTM-Interessierten an die des Meisterschaftsboliden aus dem Jahr 2012. Kein Wunder, denn der Fahrer ist der gleiche: Bruno Spengler. Mit verspiegelter Sonnenbrille und weit geöffnetem Hemd steigt er aus seinem Auto, lächelt und zieht sich das Sponsoren-Shirt über. Er gibt jedem die Hand, macht Erinnerungsfotos, schaut sich mit Geschäftsführer Schick die Oldtimer-Sammlung des Hauses an. „Ohne euch wäre es für uns wirklich schwierig geworden mit dem Testen“, bedankt sich der Kanadier, der in der Nähe von Basel wohnt und auf dem Weg zur badischen Rennstrecke zum Überraschungsstopp nach Speyer gekommen ist. „Ich wäre gerne früher hier gewesen“, sagt der mit seinem franco-schweizerischen Akzent stets sympathisch wirkende Mann, „aber unterwegs war ein bisschen viel Verkehr“. Jetzt ist auch klar, warum er zwei Stunden zuvor angerufen hat. „Ich wusste nicht, ob er es rechtzeitig schafft und es zeitlich hinhaut“, sagt Sven Bluszcz und grinst. „Deswegen konnte ich auch nichts verraten.“