Speyer Zwischen Intimität und Anspannung

Einen Thriller aus Wien hat die Autorin Ursula Poznanski am Mittwoch vor zahlreichen Besuchern in der Speyerer Buchhandlung Osiander ausgebreitet. Mit sorgsam ausgewählten Auszügen aus ihrem jüngsten Buch „Thalamus“ hat sie Jung und Alt begeistert.

„Es ist nicht rasend medizinisch“, beruhigte sie das Publikum. Dennoch gab Poznanski Einblicke in aktuelle Hirnforschung. Hauptfigur Timo riss sie dafür abrupt aus seinem bis zum Unfall typischen Leben eines 17-Jährigen: heftig verliebt, auf der Suche nach Selbstfindung und Anerkennung. Intensiv schildert die Autorin die Sekundenbruchteile, die Timos Leben grundlegend verändern sollten, die Unschlüssigkeit zwischen Wachen und Vergessen, den in Watte gepackten Schmerz. Poznanskis österreichischer Akzent, die fast singend vorgetragenen Textstellen aus dem rund 400 Seiten umfassenden Buch für Jugendliche und Erwachsene ließen die Geschichte harmloser erscheinen als sie war. Schnell folgten die Zuhörer ihr an die Unfallstelle, in die Klinik und schließlich in die Neuro-Rehabilitation. Poznanski las ihre Auswahl von DIN-A-4-Seiten ab. Zum besseren Verständnis für die Übergänge erzählte sie zwischendurch einige Handlungsstränge. Damit schaffte die Schriftstellerin eine Atmosphäre voller Intimität und gleichzeitiger Anspannung in der Erwartung tragischer Entwicklungen. Humor, vorwiegend schwarzer, kam zur Entspannung hinzu. Beispielsweise, als Poznanski Protagonist „Carl mit C“ in die Handlung eingreifen ließ. Im Verlauf der Lesung schlichen sich Anlehnungen an die preisgekrönte französische Filmkomödie „Ziemlich beste Freunde“ ein. Oder an den TV-Klassiker „Bezaubernde Jeannie“, als Timo übersinnliche Kräfte an sich feststellt. Geschickt gelang es der Autorin, viel zu erzählen und kaum etwas zu verraten. Sie beantworte jede Frage außer der zum Ausgang des Buchs, erklärte sie zu Beginn ihrer Lesung. „Sie haben es gut erwischt“, gab sie ihren ersten Eindruck von „der hübschen Stadt, in der sie wohnen“, wieder. Sie sei darauf angewiesen, „dass es passiert“, wies Poznanski auf ihren Kopf, in dem Ideen plötzlich auftauchten und erzählt werden wollten. Unaufhörlich schreibe sie, ihr letztes Buch habe sie dem Verlag vor drei Wochen vorgelegt. Ein „Erwachsenenbuch“, das im Februar erscheinen soll. „Thalamus“, die medizinische Bezeichnung für einen Teil des Zwischenhirns, der für die Steuerung aus- und eingehender Informationen zuständig ist, sei ein guter Titel, fand Poznanski. „Broca-Areal wäre nicht so schön.“ Auch 50-jährige Schriftstellerinnen mit Erfahrung im Medizin-Journalismus machten Fehler, räumte sie eine Falschinformation in „Thalamus“ ein. „Ich habe Logotherapie mit Logopädie verwechselt.“ In der nächsten Auflage werde das korrigiert, kündigte Poznanski sowohl eine zweite Auflage von „Thalamus“ als auch entsprechendes Lektorat an. Angehenden Schriftstellern im Publikum empfahl sie, niemals für eine Veröffentlichung zu bezahlen. „Wer Geld von einem Autor verlangt, verdient an ihm und nicht an seinem Buch.“

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