Speyer Von analog auf digital

Bei der Arbeit im Studio in der Alten Feuerwache: Reiner Hocke verantwortet fünf Sendungen.
Bei der Arbeit im Studio in der Alten Feuerwache: Reiner Hocke verantwortet fünf Sendungen.

«Mannheim.» Seit 20 Jahren gibt es den Verein Freies Radio Rhein-Neckar nun schon. Den Verein, der mit dem nicht-kommerziellen Mannheimer Radiosender „Bermudafunk“ im regionalen Äther unterwegs ist. Oder per Internet weltweit. Und in all den Jahren hat sich nichts Grundlegendes verändert. Zum Glück. Denn nur so kann er seine Vielfältigkeit bewahren und damit etwas, das viele kommerzielle Sender heutzutage oftmals vermissen lassen. Doch er muss – zum großen Teil ehrenamtlich gestemmt – immer wieder Herausforderungen meistern, die ihn manchmal an seine Grenzen bringen. Die Idee, die die Gründer vor 20 Jahren hatten, funktioniert heute noch immer. „Wir wollten ein offenes Radio. Ein Radio für alle. Und wir wollten vor allem den Unterrepräsentierten eine Stimme geben“, erinnert sich Andreas Frank an damals. Das Vorstandsmitglied ist fast von Anfang an dabei und bekam die Atmosphäre der ersten Sendetage hautnah mit. „Es herrschte Aufbruchstimmung. Alle waren begeistert, dass es endlich losgeht“, beschreibt er seine Eindrücke. Frank war einst selbst mit einer Sendung „on air“. Sie nannte sich „Restrisiko“, war eine Anti-Atom-Sendung und erhielt 2005 den alternativen Medienpreis. Heute wie damals hat jeder die Möglichkeit, beim „Bermudafunk“ eine Sendung zu gestalten. Man muss kein Profi sein, sondern bekommt die Grundlagen des Radiomachens in Workshops beigebracht. Auch den Themen sind kaum Grenzen gesetzt. Sie können politisch sein, musikalisch, in einer anderen Sprache oder einfach nur unterhaltsam. „Sie müssen sich nur an den Vereinsstatuten orientieren“, so Eva Mayer. Und die untersagen unter anderem jegliche Art von Diskriminierung. Mayer kümmert sich um die Öffentlichkeitsarbeit und ist eine von derzeit vier Festangestellten, die sich etwa eineinhalb Stellen beziehungsweise 63 Stunden teilen. Mehr kann sich der auf Spenden und Fördermittel angewiesene Radiosender nicht leisten. Denn Werbeeinnahmen hat er keine, da er ja nicht kommerziell ist. Und das Budget, das er zur Verfügung hat, ist recht gering. Von den rund 400 Vereinsmitgliedern sind laut Mayer etwa 120 auch aktiv im Sendegeschehen. Teilweise produzieren sie schon seit vielen Jahren ihre eigenen Ausstrahlungen vor oder sind beim Sendetermin live am Mikrofon. „Die Altersspanne zieht sich von Mitte 20 bis ins Rentenalter“, erklärt Florian Pfirrmann, der ebenfalls schon ein Urgestein des „Bermudafunks“ ist. Und er berichtet von den kleineren und größeren Problemen, die das freie Radio seit geraumer Zeit meistern muss. Viele davon sind mit Geld verbunden, das der „Bermudafunk“ meist nicht leicht aufbringen kann. So steht beispielsweise noch im Raum, wie der Sender mit der schleichenden Umstellung von Analog- auf Digitalradio umgeht. Denn auch im technischen Bereich wird „Bermudafunk“ von der Landesmedienanstalt gefördert. Und gerade bei einer Umstellung auf Digitalbetrieb ist er auf eine entsprechende Förderung angewiesen. Aber noch ist die Abschaltung des UKW-Radios Zukunftsmusik, wenn auch stets präsent. Und so versuchen die Radiomacher, sich vorerst weiterhin auf das Senden zu konzentrieren. Einer von ihnen, der 61-jährige Reiner Hocke, ist seit 2010 regelmäßig im „Bermudafunk“ zu hören. Fünf Sendungen verantwortet er. „Es ist eine andere Welt, wenn die Schieber am Mischpult hochfahren“, sagt er. Denn dann ist er auf Sendung, präsentiert unter anderem Musik „Made in GDR“ oder stellt junge Bands aus der Region vor. Hocke ist überzeugt: „Der Sender wird gehört.“ Das merkt er im Alltag. Denn es sei schon öfter vorgekommen, dass er plötzlich auf der Straße oder in einem Laden angesprochen wurde. „Man hat meine Stimme erkannt“, erzählt er. Teilweise von Menschen, von denen er nie gedacht hätte, dass sie den freien Radiosender einschalten. „Das freut mich sehr.“ Gerade musste der Verein wegen einer Privatisierungswelle tief in die Tasche greifen und Equipment kaufen, das er vorher gemietet hatte. zur sache „Bermudafunk“ sendet in Heidelberg auf der UKW-Frequenz 105,4 MHz, in Mannheim auf 89,6 MHz. Diese Frequenzen teilt er mit dem von Studenten organisierten Uni-Sender „Radioaktiv“, der nur zu bestimmten Sendezeiten zu hören ist. Räume hat der Verein Freies Radio Rhein-Neckar sowohl in der Alten Feuerwache als auch im Alten Volksbad in der Neckarstadt-West. Livestream, Mediathek und weitere Infos: www.bermudafunk.org.

x