Speyer Virtuose des fixierten Augenblicks

Magie und Präzision: Straßenszene aus dem New Yorker Stadtteil Harlem, 1980.
Magie und Präzision: Straßenszene aus dem New Yorker Stadtteil Harlem, 1980.

Mit seinen „New York Verticals“ wurde der in Mannheim geborene Fotograf Horst Hamann berühmt. Aber es gibt da noch einen früheren Horst Hamann. Das lehrt die Ausstellung „Sehfahrten“ im Mannheimer Kunstverein. Sie bebildert seine Selbstfindungsjahre 1975 bis 1997.

Es liegt in der Logik der Sache, dass die Schau mit einer Aufnahme des Anfängers beginnt. Der „Bellenkrappen“ ist schon durch das von den anderen Fotoarbeiten abweichende Großformat hervorgehoben. Diesiges Frühlicht liegt über dem romantisch verklärten Mannheimer Altrheinarm. Einfache Kähne dümpeln im Wasser, die Stille der Szene ist mit Händen zu greifen. Sehr malerisch ist das, sehr ästhetisch. Ein Idyll vor der Haustür, irgendwie durchkomponiert und auf eine stille Weise emotional. Das war 1974 und der vor kurzem 60 gewordene Hamann ein Gymnasiast, der lieber mit der Kamera draußen war als drinnen. Abitur hat er trotzdem gemacht, ist dann aber losgezogen in die weite Welt. Davon erzählt die Ausstellung, für die der Fotograf seit über 30 Jahren im Archiv schlummernde Dias herausgeholt und in eine gewisse Ordnung gebracht hat. Nur er kennt die Geschichten hinter den Bildern, die damit verbundenen Klänge und Gerüche, die Holzfeuer in Maine, die Luft im verschneiten New York. Und es macht schon einen Unterschied, ob man mit Gershwin oder den Sex Pistols im Walkman durch den „Big Apple“ stromert. Der Besucher lernt also Hamanns Faible für Rost kennen (Coca-Cola-Schriftzug), für kuriose Situationen (eine Augustus-Statue als Verkehrspolizist), sieht das aus prekären Situationen aufgenommene Blechdach des New Yorker Chrysler Buildings und Mannheimer Alltagsszenen (Kind am Kaugummiautomaten). Über die Farbe vermittelte Stimmungen, Assoziationen, Magie und Präzision sind Kennzeichen dieser Aufnahmen. Hamann war ein Individualist im Aufbruch, ein Detailfanatiker und Virtuose des fixierten Augenblicks. Vielleicht ein Flaneur in einer Welt, die Flaneure nicht mehr kennt. Ausstellung Zu sehen beim Mannheimer Kunstverein (Augustaanlage 58) noch bis zum 1. April, dienstags bis sonntags, 12 bis 17 Uhr.

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