Speyer Virtuelle Schleuder der Sprache

Im Speyerer Zimmertheater präsentierten die „Fahrer des Texttaxis“, Kerstin Bachtler und Bodo Redner, auch bekannt als „Pfälzer Helden“, am Samstag vor begeistertem Publikum ihr Stück „Schneewittchen vergiften – Googlerunde: Märchenstunde mit dem Texttaxi“.

Schon Hegel sah einst im Sinn des Denkens die Verwirrung durch wechselhafte Sprünge. Als hätten die beiden Schauspieler diesen Leitsatz wörtlich genommen, bearbeiteten sie Märchen der Brüder Grimm auf außergewöhnliche Art und Weise: Sie übersetzten die traditionellen Texte ins Indonesische, Ukrainische oder gar Klingonische und das, natürlich ganz am Zahn der Zeit, mithilfe von verschiedenen Online-Übersetzungsprogrammen. Anschließend ließen sie die Ergebnisse wieder ins Deutsche übertragen. Durch die hierbei entstehenden „Wortfindungsprobleme“, wie Bachtler sie nennt, kommen am Ende völlig neue Inhalte heraus, bestehend aus vollends absurden Sätzen und Strukturen, Wortneuschöpfungen und Anglizismen, die konservative Germanisten wohl an den Rande der Verzweiflung brächten. So wird aus Rotkäppchen ein Teenager mit Basecap, Frau Holle spielt im Drogenmilieu und Aschenputtel lädt sich eine Taube aus dem Internet herunter. Inspiriert wurde das Duo durch das Lesen einer japanischen Gebrauchsanleitung, deren ins Deutsche übersetzter Text ähnlich wirr war wie die Ergebnisse eines Online-Übersetzers. Das Stück wurde mit Bernhard Weller von „Spitz & Stumpf“ als Regisseur umgesetzt. Gemeinsam mit diesem hatte das Duo bereits Stücke für ihre bekannte „Pfälzer Helden“-Reihe inszeniert. Die Schwierigkeiten der sehr modernen Sprache des Stückes, der Vortragsgeschwindigkeit und weitere schauspielerische Herausforderungen waren für den Zuschauer nicht merklich. Das Duo bewahrte eine Leichtigkeit in seiner Sprache, die ihresgleichen sucht. Was sich fast schon nach postdramatischem Theater anhört, funktionierte so gut wie selten: Jedes Märchen konnte noch immer in seinen Grundzügen verfolgt werden. Unermüdliches Lachen und ein tosender Applaus gaben dem Konzept recht. Spätestens, als der Wolf „das beste All-You-Can-Eat-Buffet“ lobte, hatten die Darsteller die Zuschauer im nahezu ausverkauften Theater gänzliche auf ihrer Seite. Letzten Endes musste wohl ein jeder, fernab des Gelächters, ein wenig nachdenken: Wie kann ein Stück, das gänzlich seiner sprachlichen Verständlichkeit beraubt ist, trotzdem so verständlich und komisch sein, wo doch alles um uns nach Ordnung schreit? Mit dieser Frage hat das Stück sein Ziel erreicht.

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