Speyer Victor Nettey: „Der Hass wird noch heftiger werden“

Versucht mit Videos, seinen Mitbürgern die Angst zu nehmen: Metzgermeister Victor Nettey.
Versucht mit Videos, seinen Mitbürgern die Angst zu nehmen: Metzgermeister Victor Nettey.

Meinung am Montag: Am Sonntag hat die Gruppe „Speyer ohne Rassismus – Speyer mit Courage“ den Film „Afro.Deutschland“ gezeigt. Mit dabei: Victor Nettey. Bekannt geworden ist der „schwarze Metzger“ mit selbst gemachten Videos, in denen er seine Hautfarbe und Produktpalette präsentiert. Ellen Korelus-Bruder hat den 32-Jährigen nach Rassismus-Erfahrungen in Deutschland gefragt.

Herr Nettey, wie oft werden Sie auf Ihre Hautfarbe angesprochen?

Direkt selten. Aber viele Leute schauen mich mit so einem gewissen Blick an. Der geht mir immer durch und durch. Leider kann ich daran nichts ändern. Es nervt, aber man gewöhnt sich irgendwann daran. Im Alter von zwei Jahren sind Sie mit Ihren Eltern nach Speyer gekommen. Wie viel Ghana steckt nach 30 Jahren in Deutschland in Ihnen? Ghanaer sind stolze Menschen. Wie ich. Ich weiß, woher ich komme. Auch wenn ich nicht vorhabe, in mein Geburtsland zurück zu gehen, bin ich nicht nur deutsch. Das bezieht sich nicht alleine auf meinen Doppelpass. Wann und warum haben Sie begonnen, mit dem Schwarzsein offen umzugehen? Damit bin ich schon immer offen umgegangen. Das geht wohl auch nicht anders, die Hautfarbe ist ja sichtbar. Eigentlich habe ich 2017 die Öffentlichkeit gesucht, weil es geschäftlich ruhiger geworden war. Hier in der Region ist meine Hautfarbe mein größter Nachteil. Ein schwarzer Metzger, der deutsche Wurst verkauft, wird nicht so leicht akzeptiert. Mit meinen lustigen Videos versuche ich, den Menschen Angst zu nehmen. Was meinen Sie: Leben Sie in einem Land voller Rassisten? Voller Rassisten ist Deutschland sicher nicht. Aber ich glaube, ein großer Teil denkt so. Dumme Kommentare höre ich oft genug. Nicht jeder zeigt seine Gesinnung offen. Hat sich der Umgang der Deutschen mit „bunten“ Menschen in drei Jahrzehnten verändert? Ich glaube schon. Als Kind hatte ich weniger Probleme als manche anderen, von denen ich gehört habe. Ich war im Fußballverein und war dort von Anfang an gut integriert. Im Moment läuft es für uns Schwarze nicht so gut. Der Hass wird noch heftiger werden, denke ich. Aber dann wird sich das ganz sicher wieder ändern – zum Besseren. Ich habe großes Vertrauen zu den Deutschen. Haben sich Aggressionen und Vorurteile seit der Ankunft vieler Flüchtlinge 2015 in Deutschland verstärkt? Auf jeden Fall ist die Abneigung gegen uns größer geworden. Ich glaube, das hängt mit von Flüchtlingen verübten Gewalttaten zusammen und der Angst der Deutschen, finanziell zurückstecken zu müssen. Ich bin schon oft für einen Flüchtling gehalten worden. Wie gehen Sie mit Alltagsrassismus um? Vieles lasse ich nicht an mich herankommen. Die meisten, die mich zum ersten Mal sehen, sprechen mich auf Englisch an. Dann rede ich eben Englisch mit ihnen. Wer mich kennt, respektiert mich. Sind Schwarze Ihrer Erfahrung nach eigentlich frei von Rassismus? Nein, Rassismus geht auch anders herum. Auch in meiner Familie. Was ist für Sie die schlimmste Beleidigung? Ich hatte mal einen Chef, der von mir verlangt hat, ihn Sir zu nennen. Kein anderer in der Metzgerei musste das. Das hat mich sehr verletzt. Wenn ich gut drauf bin, kann man mich nicht beleidigen. Dann stört es mich auch nicht, wenn einer mich einen Neger nennt. Ein Schimpfwort ist es trotzdem. Sie sind Vater von zwei kleinen Kindern. Was wünschen Sie ihnen? Ich wünsche mir, dass sie nicht das durchmachen müssen, was ich wegen meiner Hautfarbe erlebt habe. Ich glaube, je bekannter ich werde, desto leichter werden sie es haben. Eine letzte Frage: Wie ist das Verhältnis mit ihren Nachbarn? Sie sind alle weiß. Alles ist gut. Ich fühle mich wie Jerome Boateng: Meine Speyerer Nachbarn, das weiß ich genau, schämen sich auch überhaupt nicht, neben einem Schwarzen zu wohnen.

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