Speyer Vergebliches Warten auf Filmteam

Mann, ist der dick: Norbert Andres mit einem seiner Riesenkürbisse.
Mann, ist der dick: Norbert Andres mit einem seiner Riesenkürbisse.

Norbert Andres fragt eine Frau, die seinen Hof in der Weingartener Hauptstraße betritt, gleich direkt: „Sprechen Sie Italienisch?“ – Andres sagt immer, was er denkt. Im Augenblick drehen sich seine Gedanken um ein italienisches Fernsehteam, das sich angekündigt hat, um über seine Kürbisernte zu berichten. Das Problem: Keiner der Italiener soll Deutsch oder Englisch sprechen. „Italienisch kann ich nicht. Ich wollt’ eigentlich nur einen Kürbis für Halloween“, sagt die Frau.

Kürbis-Züchter Andres hat Medienerfahrung. Das italienische Fernsehen ist außergewöhnlich, aber Fernsehteams von SWR und Sat 1 waren schon da, haben ihn und seine Riesenkürbisse gefilmt, erzählt er strahlend. Seine Frau Tanja strahlt bei der Erinnerung nicht so: Ihr ist noch ein achtköpfiges TV-Team in Erinnerung, das direkt vom Feld kommend durch die Wohnung getrampelt sei. Für die Truppe hatte sie sogar gekocht – und musste zig Mal den Tisch fernsehgerecht eindecken, bis alles im Kasten war. „Einer hat sich dabei auch noch in den Sessel fallen lassen, als wär er zu Hause“, erinnert sie sich. Auf den Besuch der Italiener blickt sie daher mit gemischten Gefühlen. Stellt sich die Frage, wie das mit dem italienischen Fernsehen zustande kommt? „Ich kenne den Verantwortlichen vom ,Blühenden Barock’ in Ludwigsburg, wo auch die Kürbisregatta veranstaltet wird, der hat den Kontakt hergestellt“, erzählt Andres. Und wie sieht eine Kürbisregatta aus? Andres zeigt auf einen Riesenkürbis in seinem Hof. „Der wird oben aufgesägt und soweit ausgehöhlt, dass ein Mann drin sitzen und paddeln kann.“ Einmal habe es sogar einen viersitzigen Kürbis gegeben, der allerdings nicht „Made in Wingerte“ war. „Man darf nur nicht zu viel aushöhlen, sonst wird er instabil“, verrät der Kürbis-Experte. Für die diesjährige Schau hat er einen Koloss von etwa 800 Kilogramm, der direkt nach der Ernte nach Ludwigsburg verfrachtet wird. Und zwar „pronto“, wie die Italiener sagen: Ein geernteter Kürbis verliert nämlich täglich Gewicht, Riesenkürbisse bis zu zehn Prozent, weiß er. Angefangen hat das mit den Kürbissen in Weingarten vor 22 Jahren, erzählt Andres. Eigentlich als Hobby – und mit einem (errechneten) Stundenlohn von vier Euro sei es auch nur ein Hobby, „ein Pläsier“, wie Andres sagt, bei dem ganzen Aufwand, der in Anzucht und Pflege der Kürbisse steckt. 300 Sorten zieht er inzwischen, die meisten davon sind essbar. Sie heißen Butternut, Sweet Mama, Baby Boo oder schlicht Thai-Kürbis. Im Hof liegen aber auch Zierkürbisse, die besser nicht verspeist werden sollten. „Die müssen auch separat angepflanzt werden, damit es keine Rückkreuzungen auf dem Feld gibt, das wäre schlecht“, sagt Andres. Das Fachwissen habe er sich im Lauf der Jahre angeeignet. Der Erfolg stellte sich rasch ein: Die essbaren Kürbisse würden vor allem von Thailändern gerne gekauft, die beispielsweise aus Heidelberg und Frankfurt nach Weingarten kommen, um sich den Kofferraum voll zu laden. Zierkürbisse hat er schon bis in die Schweiz oder nach Japan geliefert. „Da will ich nicht einmal wissen, wie viel der Transport gekostet hat. Das war für einen Schnitzwettbewerb.“ Die Riesenkürbisse seien so eine Sache, sagt Andres. Sie brauchen enorm viel Platz, müssen auf dem Feld umhegt und gepflegt werden, bevor sie vorsichtig mit Gurten und einem Traktor angelupft und auf eine Doppelpalette gelegt werden. Fürs italienische Fernsehen hat er einen Kürbis von etwa 400 bis 500 Kilo ausgewählt, den er vor der Kamera ernten will. Der Riese soll zu einer Ausstellung nach Kaiserslautern. Seine Frau hat sich mit dem Hobby ihres Mannes arrangiert. Einige Zierkürbisse bemalt sie auch. „Das habe ich früher auch mal probiert, aber bei mir sieht das nicht so gut aus“, gibt der Kürbis-Züchter zu. Dann greift er zum Telefon und erkundigt sich in Ludwigsburg, wo die Italiener bleiben. Vielleicht sind sie ins falsche Weingarten gefahren? Oder hatte ihr Flieger Verspätung? Im Plaudern jedenfalls ist die Zeit vergangen wie im Flug von Rom nach Frankfurt. Andres kommt zurück: „Also ... die kommen scheinbar doch nicht und fahren gleich zum Vorentscheid der Regatta nach Ludwigsburg“, berichtet er. „Den Kürbis hol’ ich nachher trotzdem vom Feld.“ Eigentlich muss man den Italienern dankbar sein – wäre das Fernsehteam gekommen, hätte Andres nicht so viel von den Kürbissen erzählen können.

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