Speyer Speyerer Kapitän über Marineschulschiff „Gorch Fock“: „Maritimer Kindergarten“

Zehn Jahre ist dieses Bild alt: Die stolze Gorch Fock läuft unter Segeln über die Kieler Förde.
Zehn Jahre ist dieses Bild alt: Die stolze Gorch Fock läuft unter Segeln über die Kieler Förde.

Korruptionsvorwürfe und Kostenexplosion – die Sanierung der „Gorch Fock“, des Segelschulschiffs der Bundesmarine, ist ein Trauerspiel. Eckhard Fleischmann aus Speyer hat die seemännische Grundausbildung auf dem Großsegler durchlaufen. Für ihn hat die Station auf dem Segelschiff „keinen Bezug zur Realität“.

Seit über drei Jahren wird das Marineschulschiff „Gorch Fock“ nun saniert. Waren dafür ursprünglich 9,6 Millionen Euro veranschlagt, belaufen sich die Kosten laut Verteidigungsministerium inzwischen auf rund 135 Millionen Euro. Im Dezember 2018 nahm die Staatsanwaltschaft Osnabrück Ermittlungen gegen einen Mitarbeiter des Marinearsenals Wilhelmshaven auf, der für die Preisprüfung der Reparatur mitverantwortlich war. Der Vorwurf: Vorteilsnahme und Bestechlichkeit. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) stoppte daraufhin die Zahlungen. Anfang der Woche gab das Ministerium bekannt, man wolle die Sanierung fortsetzen und das Schulschiff erhalten. Der ehemalige Korvettenkapitän Eckhard Fleischmann (75) war 1965 als Offizieranwärter drei Monate auf der „Gorch Fock“. Schon damals hegten er und seine Kameraden Zweifel am Sinn dieser Ausbildung: „Hauptargument für die Gorch Fock war immer, dass sich dort der Unteroffiziersnachwuchs und die Offiziersanwärter ,Seebeine’ wachsen lassen sollten“, erzählt er. Allerdings sei man während der dreimonatigen Ausbildung nur etwa die Hälfte der Zeit tatsächlich auf See. „Seebeine wachsen da niemandem.“

Schikane und Demütigungen

Stattdessen erinnert er sich vor allem an Schikane und Demütigungen, die jungen Kadetten sollten „rund gemacht“ werden. Zwar dürfe eine Gemeinschaft aus Soldaten während der Ausbildung „sinnvolle Härte“ und auch „notwendigen Drill“ erwarten. Dabei trotzdem die Menschenwürde zu achten, sei jedoch ein Drahtseilakt, den nicht jeder Ausbilder beherrscht habe. Die Inhalte, die während der Ausbildung vermittelt würden, seien schon damals „höchstens ansatzweise“ auf einem modernen Marineschiff zu gebrauchen gewesen, meint Fleischmann. So habe er eigentlich nur gelernt, zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Tauenden in die Hand zu nehmen und zum Segel setzen oder bergen zu bedienen. Dinge also, die auf einem Motorschiff eher bedingt einzusetzen seien. Fleischmann gibt zu bedenken, dass selbst die britische Royal Navy nach dem Zweiten Weltkrieg auf ein Segelschulschiff verzichtet hatte. In der neu gegründeten Bundesmarine hätten sich jedoch die Traditionalisten durchgesetzt. Auch über das Argument, der Dienst auf der „Gorch Fock“ diene der Teamgeist-Erfahrung und stärke den Zusammenhalt, hält er für vorgeschoben: „Dafür stehen bei der Marine andere Möglichkeiten zur Verfügung.“

Germersheimer Fregattenkapitän widerspricht

Natürlich gebe ein Großsegler unter vollen Segeln ein schönes Bild ab, gibt er zu. Dennoch sei das Schiff in der Bundesmarine ein Anachronismus. An der Marineschule in Flensburg-Mürwik gibt es nun einen Modellmast, an dem die Kadetten die Fähigkeiten, die sie auf der „Gorch Fock“ brauchen, schon einmal trocken üben können. „Das kommt mir wie ein maritimer Kindergarten vor“, sagt Fleischmann. Dem widerspricht Fregattenkapitän Christian Scherrer, ein gebürtiger Germersheimer: „Die See ist DAS bestimmende Element des Berufslebens.“ Daher sei es wichtig, die Kadetten frühzeitig an deren Besonderheiten heranzuführen. Er sieht es als Vorteil, dass die jungen Soldaten zunächst einen ungefilterten und „untechnologisierten“ Eindruck von den Lebens- und Arbeitsbedingungen auf See bekämen: „Die Kadetten erleben hier direkt und unmittelbar die Wirkung der Elemente, insbesondere von Wind, Seegang und Temperatur.“ So lernten sie, dass sich äußere Einflüsse auf ihre eigene Leistungsfähigkeit und auf die allgemeine Einsatzbereitschaft von Schiff und Besatzung auswirkten, sagt der Berufssoldat. Auch für die Vermittlung von Fähigkeiten wie Teamgeist, Toleranz, und Verantwortungsbewusstsein eignen sich laut Scherrer die Bedingungen an Bord eines Segelschiffes auf einzigartige Weise. „Der Wert der Ausbildung und die Ziele, die die Marine damit verfolgt, sind heute so aktuell wie vor 60 Jahren“, sagt er.

Ausbildung: Eckhard Fleischmann legt 1965 auf der Gorch Fock seine Hängematte zusammen.
Ausbildung: Eckhard Fleischmann legt 1965 auf der Gorch Fock seine Hängematte zusammen.
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