Speyer Speyer: Altenpfleger wünschen sich eine Revolution in der Altenpflege

Glücklich mit ihrer Berufswahl: Auszubildende Yasmin Wolf mit einer Bewohnerin im Caritas-Altenzentrum St. Martha.
Glücklich mit ihrer Berufswahl: Auszubildende Yasmin Wolf mit einer Bewohnerin im Caritas-Altenzentrum St. Martha.

Der Pflegenotstand ist in aller Munde: Es gibt zu wenige Fachkräfte und zu wenig Pflegenachwuchs, heißt es aus der Branche. Die Politik will dem entgegenwirken. Doch nur neue Stellen zu schaffen, wird nicht reichen, finden Speyerer Altenpfleger.

Wenn Yasmin Wolf über ihren zukünftigen Beruf spricht, leuchten ihre Augen. „Jeder Tag ist anders. Wir haben viel Abwechslung. Ich mag besonders die Kombination aus medizinischem Wissen, das uns in der Schule vermittelt wird, und der Anwendung in der Praxis. Man lernt viel über das Altwerden“, sagt die junge Frau. Die 26-Jährige ist am Ende ihres zweiten Ausbildungsjahrs. Sie hat sich für einen Beruf entschieden, um den sich in der Öffentlichkeit gerade viele Debatten drehen: Yasmin Wolf wird Altenpflegerin. Ihre erste Wahl war das nicht. Nach der Realschule hat sie eine Ausbildung zur Fremdsprachensekretärin absolviert, danach einen Job im Hotelgewerbe angenommen. Doch glücklich war sie damit nicht. „Ich habe schnell gemerkt: Das ist es nicht. Ich bin wirklich nicht gerne hingegangen.“ Über Bekannte kam Wolf, die aus Darmstadt stammt, zu einem Praktikumsplatz in einem Pflegeheim – ein Schritt, den sie heute als „Eingebung“ bezeichnet: „Danach bemühte ich mich um einen Ausbildungsplatz.“ Im Speyerer Caritas-Altenzentrum St. Martha ist Wolf eine von derzeit sechs Auszubildenden. Für Einrichtungsleitung Gudrun Wolter ein Glücksfall, denn einfach sei die Suche nach geeignetem Pflegenachwuchs nicht: „Es ist eine Herausforderung, Auszubildende zu finden, die die nötigen Voraussetzungen mitbringen, nicht nur schulisch, sondern auch menschlich“, sagt sie. Vielen fehle die Motivation und das Durchhaltevermögen. „Auch die Sprache ist manchmal ein Problem.“ Dabei sei die Altenpflege ein Beruf mit Zukunft, betont Wolter. „Grundsätzlich versuchen wir, Fachkräfte auszubilden, die wir im Anschluss auch beschäftigen können. Das war bisher auch nie ein Problem.“ Auch an Weiterbildungsmöglichkeiten mangele es nicht: „Wundmanager, gerontopsychiatrische Fachkraft, also eine Spezialisierung auf die Betreuung von Demenzpatienten, Wohngruppenleitung – da gibt es sehr viel“, sagt sie. Doch warum ist es so schwierig, geeignetes Personal zu finden? Ein Grund ist laut Wolter und Wolf die Art und Weise, wie der Beruf in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. „Der Beruf wird jungen Menschen nicht schmackhaft gemacht“, sagt Wolf. „Viele denken, wir machen nicht viel mehr als alte Menschen zu füttern und ihnen die Windeln zu wechseln.“ Diese Vorurteile kennt auch Regina Holusa. Sie ist seit 39 Jahren im Job, betreibt gemeinsam mit ihrem Mann einen mobilen Pflegedienst, den es seit 1995 gibt. „In der Gesellschaft gibt es einfach zu wenig Kenntnis über den Beruf. Da ist immer nur von Hintern waschen die Rede. Aber das ist nur ein ganz kleiner Teil unserer Arbeit“, sagt die Speyererin. Das Team des mobilen Pflegedienstes besteht aus sechs festen Mitarbeitern und drei Aushilfen. Derzeit betreut das Unternehmen rund 30 Patienten. An Personal mangele es momentan nicht. „Wir sind gut aufgestellt“, sagt Holusa. Doch einfach sei die Suche nach guten Fachkräften nicht. „Wir sind ein kleiner Betrieb und sehr anspruchsvoll. In dem Beruf ist es wichtig, über den Tellerrand zu schauen, Risiken richtig einzuschätzen und entsprechend zu handeln“, sagt sie. Das gelte insbesondere für die ambulante Pflege. „Im Pflegeheim hat man Kollegen vor Ort, mit denen man sich beraten kann. In der ambulanten Pflege ist man Einzelkämpfer, muss alleine Entscheidungen treffen oder wissen, wo man sich Hilfe holt“, sagt die gelernte Krankenschwester. Damit der Beruf wieder attraktiver werde, sehen Holusa, Wolf und Wolter die Politik am Zug. Die 13.000 Stellen, die Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Pflegesektor schaffen will, seien ein Anfang. „Aber reichen wird das nicht. Das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Wolf. Es mangele vor allem an einer Sache: Geld. „Der Staat müsste mehr investieren“, sagt Einrichtungsleiterin Wolter. Sie wünscht sich einen größeren Etat für das Gesundheitswesen. „Es sollte nicht darauf hinauslaufen, dass die Patienten mehr zahlen müssen.“ Viele könnten den Eigenanteil ohnehin nicht alleine stemmen, oft müsse auf Sozialhilfe zurückgegriffen werden. Auch von einer Erhöhung der Rentenversicherung hält sie wenig. „Die hat ihre Grenzen auch irgendwann erreicht.“ Auch in der Gesellschaft müsse ein Umdenken stattfinden. „Der Beruf muss mehr Wertschätzung erfahren“, sagt Wolter. Dazu müsse sich aber auch die Einstellung zum Älter werden ändern. „Wir alle werden mal alt. Und wir alle wollen dann eine gute Pflege.“ Einig sind sich die drei in einem weiteren Punkt: „Das ist ein sehr schöner Beruf. Man kriegt unheimlich viel von den Menschen zurück“, sagt etwa Holusa. Sorgen um die berufliche Zukunft macht sich keine von ihnen. „Der Beruf wird nicht aussterben. Er geht momentan auf dem Zahnfleisch, aber er wird bleiben“, sagt Berufsanfängerin Wolf. Einen Wunsch für die Zukunft hat sie jedoch: „Ich wünsche mir eine Revolution. Das wäre toll für uns, vor allem aber für die Patienten.“ Kontakt Viele Träger bieten Pflegeausbildungen an. In Speyer und Umgebung sind dies unter anderem: —Caritas-Verband für die Diözese Speyer: Krankenpflegeschule am St. Marien- und St. Annastiftkrankenhaus, Salzburger Straße 15, 67067 Ludwigshafen, Telefon 0621 55012418, E-Mail pflegeschule@st-marienkrankenhaus.de. —Pflegerische Schulen am Diakonissen-Stiftungs-Krankenhaus, Paul-Egell-Straße 33, 67346 Speyer, Telefon 06232 221440, E-Mail: pflegeschulen@diakonissen.de, Schulleitung: Tanja Schaller

Seit 39 Jahren im Job: Regina Holusa betreibt gemeinsam mit ihrem Mann einen mobilen Pflegedienst in Speyer.
Seit 39 Jahren im Job: Regina Holusa betreibt gemeinsam mit ihrem Mann einen mobilen Pflegedienst in Speyer.
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