Speyer Prädikat mustergültig

Ein künstlerisches Ausrufezeichen haben die Sopranistin Juliane Banse und die Pianistin Liese Klahn am Dienstagabend im Speyerer Haus der Kirchenmusik gesetzt. Für ihre Aufführung von Paul Hindemiths Liederzyklus „Das Marienleben“ nach Gedichten Rainer Maria Rilkes gab es bei den „Internationalen Musiktagen“ im großen Chorsaal begeisterten Beifall.

Die Begegnung mit der in 15 Liedern nach Rilkes in schwärmerisch inspirierten, mitunter verzückten Worten erzählten Geschichte der Gottesmutter wirkte faszinierend. Hat doch Hindemith die vielschichtige, exquisite Poesie seiner Vorlage eindringlichst, in suggestiven Klängen umgesetzt und ist dabei sowohl ihren zarten Lyrismen als auch ihren aufwühlenden dramatischen Impulsen ohne Einschränkung gerecht geworden. Die Einheit von Ton und Wort blieb durchweg bruchlos. Andererseits stellt „Das Marienleben“ ein höchst beredtes Dokument der kompositorischen Meisterschaft seines Schöpfers, namentlich seiner mehrstimmigen Satzkunst dar. Nebenbei gehört es auch zu den Werken, mit denen Hindemith nach seinen radikal avantgardistischen Anfängen und Stücken, die das etablierte Opern- und Konzertpublikum wiederholt vor den Kopf gestoßen hatten, konziliantere Töne anschlug und vom Image des Bürgerschrecks loskam. Im Haus der Kirchenmusik erfuhr jetzt „Das Marienleben“ eine Aufführung, die vorbehaltlos als mustergültig zu bezeichnen ist. Juliane Banse, hoch angesehene Vertreterin der internationalen Sängerelite, und Liese Klahn bildeten ein überragendes Liedduo, das durch den durchgehenden Spannungsbogen seiner Darstellung, durch stets präsenten, unbändigen Willen zum Ausdruck und andererseits unanfechtbare vokale beziehungsweise instrumentalistische Kompetenz bestach. Es gab keine Nebensächlichkeiten für die beiden Künstlerinnen: Banse und Klahn nahmen sich mit letzter Hingabe der Lieder an, formten jeden Ton und jedes Wort mit verfeinertem Detailgespür in unbestechlicher Klarheit durch. Banses raffinierte Tonabstufungen, Übergänge, Zwischentöne und -farben („Rast auf der Flucht“), ihre perfekte Stimmbeherrschung waren ein Ereignis für sich. Auf Dramatik verstand sie sich ebenfalls: So etwa blieb – neben einigem anderem – die atemlos erregte Darstellung der „Verkündigung der Hirten“ nachhaltig im Gedächtnis haften. Ihren Vortrag begleitete Banse mit sehr dezenter, unaufdringlicher Körpersprache und Mimik, die aber Inhalte und Stimmungen der Musik stellenweise prägnant vermittelten. Als optimale, mit zwingendem Nachdruck und verfeinerter Anschlagskunst mitgestaltende Partnerin profilierte sich am Flügel Liese Klahn, die kurzfristig für Martin Helmchen eingesprungen war.

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