Speyer Philippsburg: Das Ende der Kühltürme naht mit einem Knall

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Die Kühltürme des Atomkraftwerks sind weithin sichtbar.

Es sind zwei markante Punkte: Über 150 Meter reichen die beiden Kühltürme bei Philippsburg die Höhe. Zu sehen sind sie vom Nordschwarzwald und auch von der elsässischen Grenze aus. Sie haben bald ausgedient und können vielen Beteiligten kaum schnell genug verschwinden.

Die beiden Kühltürme des Kernkraftwerks Philippsburg – der Bürgermeister der Stadt spricht von einer „Landmarke“ –, die seit inzwischen über 40 Jahren in die Höhe ragen, haben Ende des Jahres endgültig ausgedient. Während der Kühlturm von Kraftwerks-Block 1 (KKP 1) schon 2011 mit dem Atom-Moratorium und dem anschließend beschlossenen Atom-Ausstieg außer Funktion ging, wird Block 2 Ende dieses Jahres vom Netz gehen. Erstmals 2016 redete auch die EnBW als Betreiber des Kernkraftwerks von der Möglichkeit einer Sprengung. Denn: Geschwindigkeit zählt, der Platz auf dem Kraftwerksgelände wird gebraucht. Die Kolosse stehen im Weg Für Jörg Michels, den Leiter der Kernkraftwerkssparte des Unternehmens, EnKK, ist schon länger klar, dass die Kühltürme Folgenutzungen auf dem Kraftwerksgelände im Wege stehen. Westlich der beiden jeweils aus 30.000 Tonnen Stahl und Beton bestehenden Kolosse soll Platz gemacht werden für den Konverter der TransnetBW Gesellschaft, die die mit großen Überlandleitungen aus dem Norden hergeschaffte regenerative Energie von Gleich- in Wechselstrom wandeln soll. Das Umspannwerk ist beschlossene Sache, eine Machbarkeitsstudie sieht dafür annähernd die Hälfte des bisherigen Kraftwerksgeländes vor. Genehmigungen werden noch 2019 erwartet. Der zum Rhein im Nordwesten angrenzende Geländeteil des Kraftwerks wirkt bereits wie leergefegt. Der 2011 außer Betrieb gegangene Kühlturm von Kraftwerks-Block 1, der sich in weißem Betonkleid von dem eher schmutzig-grau wirkenden Turm von Block 2 deutlich abhebt, ist von einer Vielzahl von Baumaschinen umgeben. Längst sind dort von der EnBW genutzte Hallen abgeräumt. „Wir brauchen die Kühltürme nach dem 31. Dezember nicht mehr“, sagt der CDU-Fraktionschef im Philippsburger Gemeinderat, Hans-Gerd Coenen. Zunächst war der Konverter der TransnetBW nahe der Ortsrandlage der Stadt angedacht (wir berichteten). Dagegen baute sich Widerstand auf, Coenen setzte sich für das Akw-Gelände ein – und die Sprengung. Kühltürme: kein cooles Image „Die zwei Kühltürme taugen nicht zu einer positiven Imagebildung der Stadt“, sagt auch der Vorsitzende der SPD-Fraktion, der nach den Freien Wählern drittgrößten Gruppierung im Stadtrat, Joachim Pöschel. Die risikobehaftete Kernenergie werde von einer Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt, der Atomausstieg sei lange beschlossen. „Also: Weg mit den Türmen“, sagt er. Auch die Stadt selbst mit Bürgermeister Stefan Martus (parteilos – bis 2016 noch CDU-Mitglied), an der Spitze, favorisiert die Sprengung – doch noch prüft das Umweltministerium. Denn dort gibt es Bedenken, wegen möglicher Auswirkungen auf die Umgebung – etwa des mit 150 Meter Abstand östlich zum Kühlturm von Kraftwerks-Block 2 befindlichen Standort-Zwischenlagers. Dort befinden sich 152 Stellplätze für Castoren-Behälter mit verglasten und radioaktiv strahlenden Reststoffen verbrauchter Brennelemente. Aktuell befinden sich dort 62 beladene Behälter – das Gebäude selbst ist auf Luftbildern markant erkennbar durch rund 25 Belüftungs-Anlagen auf dem Dach, die fast aussehen wie Sonnenkollektoren. Es sei zwar von der Betriebsgesellschaft EnKK, geplant, die beiden Kühltürme im Jahr 2020 abzubrechen. „Ob dies mit Sprengung erfolgen kann, wird zurzeit noch geprüft“, sagt ein Sprecher von Umweltminister Franz Untersteller (Grüne). Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen. Den Abbruch der Kühltürme habe man zum Gegenstand einer Umweltverträglichkeitsuntersuchung (UVU) gemacht, in der „die Auswirkungen auf die Umwelt untersucht wurden“, sagt der Sprecher. In einem Ende 2017 vorgelegten 315 Seiten starken Ergebnispapier, das im Internet eingestellt ist, wird das Für und Wider abgehandelt. Fallrichtung der Türme wäre in nördlicher Himmelsrichtung, dort wo auch längst das Gelände freigeräumt ist. Auch Abtragen strapaziert Nerven Auch eine Sprecherin der EnBW-Kernkraftwerkssparte, der EnKK, hält sich derzeit offiziell noch bedeckt: „Für den Abbruch stehen zwei Verfahren zur Verfügung: der maschinelle Abbruch und der Sprengabbruch.“ Es müsse der Nachweis erbracht werden, dass der Abbruch keine unzulässigen Auswirkungen auf die übrigen Einrichtungen und Anlagen auf dem Gelände habe. Daran werde „derzeit gearbeitet“, sagt sie. „Wir gehen davon aus, dass das Ministerium die Option der Sprengung sehr ernsthaft prüft“, sagt Bürgermeister Martus. Für ihn wäre es keine wünschenswerte Alternative – wie etwa beim Rückbau des Kernkraftwerks Mülheim-Kärlich – die Kühltürme von oben her zwei Jahre langlangsam und Stück für Stück „mit dem Bagger, mit viel Lärm und mit viel Staub“ zurück zu bauen. Martus rechnet derzeit damit, dass die beiden 150 Meter hohen Kühltürme, die die Silhouette der Rheintalebene bei Philippsburg prägen, im Frühjahr 2020 fallen werden. „In einem empfindlichen FFH-Gebiet noch vor Beginn der Vegetationsperiode“, wie er sagt. Aus seiner Sicht also ziemlich genau in einem Jahr. Wenn gesprengt wird, wird es wohl eng auf der Rheinschanzinsel. Man rechnet mit Tausenden Schaulustigen. Für die beiden Gemeinderäte Joachim Pöschel (SPD) und Hans-Gerd Coenen (CDU) bleibt aber nicht die Sprengung größte Herausforderung des Jahres 2019: sie treibt die geplante Zwischenlagerung von weiteren fünf Castoren aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague in Philippsburg um.

Der Kühlturm von Block 2: sprengen oder abreißen?
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