Speyer Nicht immer gut gefugt

Von Bach bis Beethoven: Piotr Anderszewski spielte bei den Schwetzinger Festspielen im Schloss.
Von Bach bis Beethoven: Piotr Anderszewski spielte bei den Schwetzinger Festspielen im Schloss.

Es war ein vielschichtiges Konzert im Zeichen der Fuge, das der polnische Pianist Piotr Anderszewski im Mozartsaal des Schwetzinger Schlosses gab. Von Bach ausgehend sucht sich der vor allem durch hervorragende Mozart-Einspielungen hervorgetretene Interpret einen Weg über seltenen Schumann zu Beethovens Sonate op. 110.

Bach

Unprätentiös, zurückhaltend betritt Piotr Anderszewski das Podium und beginnt. Sechs Präludien und Fugen von Bach hat er für den ersten Teil seines Auftritts in Schwetzingen vorbereitet. Die Auswahl aus dem „Alten Testament“ des Klavierspiels ist zugleich der Emanzipation der Präludien gewidmet, denen sich Bach im zweiten Teil des „Wohltemperierten Klaviers“ besonders widmet. Anderszewskis Bach-Spiel ist transparent und von hoher Präzision, auf den modernen Flügel ohne historisierende Züge hin ausgerichtet. Die musikalischen Einfälle Bachs stehen im Vordergrund, der Pianist erscheint eher als vermittelnde, dem Zuhörer Fingerzeige gebende Instanz, unaufdringlich, aber prägend, wo manuell und gestalterisch nötig. Anderszewskis Spielkunst verleiht der Formenvielfalt und den Gegensätzen Nachdruck. Schumann Von der Programmkonzeption des Abends her ist die Wahl von Robert Schumanns „Sieben Klavierstücken in Fughettenform“ op. 126 konsequent. 1853 in einer Zeit zunehmender gesundheitlicher und beruflicher Schwierigkeiten komponiert – bei der Drucklegung war Robert Schumann schon in der Nervenheilanstalt in Bonn-Endenich – sind diese Auseinandersetzungen mit der Kontrapunktik einerseits so etwas wie der Versuch einer Selbstheilung und musikalischen Selbstvergewisserung, andererseits von pädagogischem Impetus getragen. Auch wenn der Schumann-Tonfall immer wieder zu hören ist, wirkt diese Musik etwas aus der Zeit gefallen. Anderszewski spielt sie mit dem Bemühen um größte Ausdruckskontraste innerhalb der Stücke, was gelegentlich fast überinterpretiert wirkt. Er feilt an jedem Ton, setzt manchmal fast überzogen wirkende Akzente. Ob diese Klaviermusik für den Konzertsaal zu retten ist, ob sie überhaupt für ihn gedacht war, bleibt selbst bei der Ernsthaftigkeit dieses Ansatzes fraglich. Beethoven Im Spätwerk von Ludwig van Beethoven spielt die Fuge eine besondere Rolle, in den Streichquartetten und Klaviersonaten. Bei den Schwetzinger Festspielen wirkt die Sonate As-Dur op. 110 wie ein über den Abstecher zu Schumann gesuchter Endpunkt. Der ansonsten so disziplinierte Pianist, der persönlichen Ausdruck fast etwas zu sehr in den Hintergrund rückt, wirkt bei dieser Musik trotz der Schlussfuge fast formlos. Brachiale Bass-Schläge bringen hier den Steinway zum Klirren, das Spiel des Pianisten wirkt von überstürzter Wildheit geprägt, auf der Suche, fast ziellos. Die Beethoven-Sonate zerfällt unter den Händen von Piotr Anderszewski in ihre Einzelteile. Die fast krampfhafte Suche nach einer inneren Zusammenhalt der Komposition scheint bei aller Kraft des Spiels den Pianisten in die Irre zu führen. An diesem Eindruck kann auch die herausgewuchtete Fuga nichts ändern.

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