Speyer Mit John Rutter „barrierefrei“ in die Moderne

Landeskirchenmusikdirektor Jochen Steuerwald, hier vor der Landauer Stiftskirche, leitet den Evangelischen Oratorienchor der Pfa
Landeskirchenmusikdirektor Jochen Steuerwald, hier vor der Landauer Stiftskirche, leitet den Evangelischen Oratorienchor der Pfalz, der in der Zweibrücker Alexanderskirche und der Speyerer Gedächtniskirche zwei 40-minütige Werke des 73-jährigen britischen Komponisten John Rutter singt.

Mit zwei oratorischen Werken des zeitgenössischen britischen Komponisten John Rutter, „Requiem“ und „The Gifts of Life“, gastiert am Sonntag, 18. November, 17 Uhr, der Evangelische Oratorienchor der Pfalz in der Gedächtniskirche Speyer. Solistin ist Vera Steuerwald, Sopran, die Kammerphilharmonie Karlsruhe in großer Besetzung begleitet. Die Leitung am Dirigentenpult hat Landeskirchenmusikdirektor Jochen Steuerwald, der im Vorfeld der RHEINPFALZ für ein Interview zur Verfügung stand.

Das aktuelle Konzertjahr der beiden überregionalen Chorensembles startete im Frühjahr mit Aufführungen des „Requiems“ von Frederic Sixten durch die Evangelische Jugendkantorei der Pfalz und schließt mit einer weiteren zeitgenössischen Vertonung der lateinischen Totenmesse, dem „Requiem“ von John Rutter, diesmal mit dem Evangelischen Oratorienchor der Pfalz. Ein Tribut an die Geschichtslast des Jahrs 2018?

Nein. Wenn wir den Themen Vergänglichkeit, Sterben und Tod in unseren Programmen immer wieder Raum geben, dann aus Gründen, die von Gedenkjahren unabhängig sind: Vergänglichkeit, Sterben und Tod sind täglich, minütlich präsent. Sie betreffen ausnahmslos alle Menschen fundamental und unentrinnbar. Und doch wird die Thematik in unserer Gesellschaft mehr denn je tabuisiert und an den Rand gedrängt. Unsere Musik eröffnet wichtige exklusive und tragfähige Reflexionsräume, viel mehr als Worte es vermögen. Das Programm konfrontiert zwei inhaltlich sehr gegensätzliche Werke Rutters, entstanden im Abstand von 30 Jahren. Dahinter steckt sicher mehr als der Reiz des Kontrasts, oder? Die Idee der Kombination beider Werke geht auf John Rutter selbst zurück. Oft übersehen wir angesichts von Sorgen die guten, schönen Dinge, die uns umgeben. Im „Requiem“ gibt Rutter diesen Problemen Raum, versucht zu trösten und aufzubauen. „The Gift of Life“ feiert überschwänglich die lebensspendenden Gaben, die als bare Selbstverständlichkeit erachtet werden. Rutter bezeichnet das Werk sinngemäß als ein Feiern der lebendigen Erde, der Schöpfung und des Lebens selbst. Das tröstet nicht nur, das baut auf und macht glücklich. John Rutters Kirchenmusiken – Liedsätze wie Großwerke – haben es zu internationaler Popularität geschafft. Was macht sie so beliebt bei Singenden wie Hörenden? Das barrierefreie Changieren zwischen E- und U-Elementen? Rutters Erfolgsgeheimnis ist seine atemberaubende Virtuosität, mit der er das ganz Einfache, das für eine ganz breite Zuhörerschaft sofort Begreifbare mit unspektakulären Mitteln, doch höchster Raffinesse und handwerklicher Perfektion kredenzen kann. Mittels schier unerschöpfliche Mannigfaltigkeit und Farbigkeit werden diese Fasslichkeit in keiner Sekunde durch Plattheit oder Vorhersehbarkeit erkauft wird. Ein Konzert-Angebot mit ausschließlich Zeitgenössischer Musik – gehört dazu nach wie vor Mut zum Risiko? Grundsätzlich gefragt. In Zeiten schwindender Musikvermittlung hat es die zeitgenössische Musik besonders schwer. Der Mut zum Risiko ist mehr denn je gefragt. Ist also Rutters Musik in besonderem Maße geeignet, dem Publikum die Scheu vor der Moderne zu nehmen? Die musikalische Moderne hat ja insgesamt in den letzten Jahrzehnten die Zuhörenden wieder mehr in den Blick genommen. Sie hat verstanden, dass musikalische Botschaften dann besonders gut transportiert werden können, wenn vertraute Anknüpfungspunkte im Angebot sind. Mit seiner sehr moderaten Dosierung von Modernismen und breitem Einsatz von leicht fasslichen Elementen aus Musical und Filmmusik steht John Rutter ganz in der britischen Tradition. Diese Musik ist also tatsächlich nahezu „barrierefrei“. Termin Das Konzert ist am Sonntag, 18. November, 17 Uhr, in der Gedächtniskirche Speyer. Tags zuvor wird es in Zweibrücken gegeben. Karten bei der Tourist-Information, Maximilianstraße, Telefon 06232 142392, beim RHEINPFALZ-Ticket-Service, Telefon 01806 700733, sowie www.reservix.de. | Interview: Gertie Pohlit

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