Speyer Meinung am Montag: „Ich will zeigen, dass Flucht kein Spaß, kein Abenteuer ist“

Mohammad Hassan Nazeri
Mohammad Hassan Nazeri

Drei Kurzfilme zeigt Mohammad Hassan Nazeri morgen, 18 Uhr, zur Interkulturellen Woche im Caritas-Zentrum in der Ludwigstraße 13a. Der Filmemacher wurde 1972 in Afghanistan geboren, lebte lange im Iran und ist seit 2013 in Deutschland. Viele seiner Dokumentarfilme befassen sich mit dem Leben in Afghanistan. Anna Warczok sprach mit Nazeri über seine Heimat und Motivation.

Herr Nazeri, worum geht es in den drei Kurzfilmen morgen?

Diese Filme gehören zu einem Gesamtpaket mit dem Titel „Kultur kennt kein Heimweh“. Im ersten Film geht es um diesen Typen Hassan Nazeri (lacht). Der zweite Film beschäftigt sich mit dem Schulsystem in Afghanistan, und der dritte Beitrag zeigt die Geschichte eines afghanischen Rappers in Hamburg. Warum gerade diese Themen? Wenn man will, bilden die Filme einen Zirkel. Für viele sind die Themen Flucht und Asyl abstrakt. Ich möchte, dass die Zuschauer durch die Filme besser verstehen, dass die Menschen in Afghanistan nicht im Luxus leben, dass Flucht kein Spaß, kein Abenteuer ist. Sie wollen am Leben bleiben. Der Film über den Rapper, den ich für den NDR produziert habe, zeigt, wie Integration funktionieren kann. Zeigen die Zuschauer denn auch die von Ihnen erhoffte Reaktion? Mit diesen Filmen war ich fünf Jahre lang in Deutschland unterwegs, in Schulen, Gemeindehäusern, an Universitäten. Die Reaktionen der Leute vor und nach den Filmen sind unglaublich unterschiedlich. Besonders Schüler lernen ein Leben kennen, das neu für sie ist. Zum Glück waren die Filme bisher immer erfolgreich. Das sage ich so sicher, weil es viele Menschen gibt, die mit mir in Kontakt geblieben sind, die fragen: Was können wir tun? Ich denke, das kann auch gut sein für die Integration von Flüchtlingen hier. Denn die Probleme, die es in Afghanistan gibt, gibt es an vielen Orten auf der Welt. Warum haben Sie angefangen, Filme über Ihre Heimat zu drehen? Filme mache ich seit 1990. Ich habe lange im Iran gelebt, wo ich mit meiner Familie hingeflüchtet bin, so 1977/78. Dort habe ich mir gedacht: Hassan, du bist nicht in deinem Land. Was kannst du als Andenken, als Souvenir aus deiner Heimat haben? So kam ich auf das Kino, denn das Kino kann helfen, das Chaos zu sortieren. Meine Familie war nicht begeistert. Sie hat gesagt: Hassan, wir lieben dich, du kannst studieren, aber nicht Kino. Wieso nicht? Das Kino ist in unserer Kultur immer noch ein Tabu. Viele glauben, dass es da nur um schlechte Themen geht, um Gewalt und Sex. Ich musste mich also entscheiden: Familie oder Kino? Am nächsten Tag bin ich vor Sonnenaufgang weggegangen, habe drei Jahre in derselben iranischen Stadt gelebt und an der Hochschule Film studiert, konnte meine Familie aber nicht besuchen. Ich habe 15 Jahre für das iranische Kino gearbeitet. 2003/04 ging ich nach Afghanistan, hatte dort eine eigene Firma für Film und Theater, habe als Dozent an der Uni Kabul gearbeitet. Ich wollte das erst nicht, weil das System nicht richtig war, aber später sagten sie, ich kann nach meiner eigenen Methode lehren. Manchmal sage ich, ich habe in Afghanistan nicht gelebt, sondern gekämpft. 2013 sind Sie nach Deutschland geflohen. Am 13. Juli 2013 kam ich in Deutschland an. Und am 13. Juli 2018 habe ich mein internationales Filmfestival „Wala“ hier gegründet. Interessant ist, dass die Zahl 13 sowohl hier als auch in der afghanischen Kultur eine Unglückszahl ist. Aber bei mir war es umgekehrt (lacht). Warum haben Sie das Filmfestival gegründet? In Ladenburg habe ich meine neue Heimat gefunden. Am Anfang war ich dort sechs Monate in einer Asylunterkunft. Ich wollte immer was für meine neue Heimat machen, aber auch nicht meine alte Heimat vergessen. So kam ich auf die Idee mit dem Festival. „Wala“ ist ein persisches Wort und bedeutet Menschenwürde. Überall auf der Welt verlieren Flüchtlinge ihre Heimat und ihre Würde. Wala sucht nach dieser verlorenen Würde. In diesem Jahr haben wir erfolgreich das erste Festival geschafft.

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