Speyer Kreatives Kriegskind

Begeisterte Blumen- und Landschaftsmalerin: Monika Löffler.
Begeisterte Blumen- und Landschaftsmalerin: Monika Löffler.

Es ist kaum zu glauben. Da gibt es eine 86 Jahre alte Dame im Seniorenheim Salier-Stift in Speyer, die behauptet, es sei ihr noch nie so gut gegangen wie jetzt. Endlich könne sie ohne die vielen Alltagsverpflichtungen wie Kochen, Putzen, Einkaufen, Waschen, Bügeln und so weiter, ihre Freiheit nutzen. Monika Löffler heißt sie und kam zunächst nach einem Unfall zur Mobilisierung in die Kurzzeitpflege 2016 in das Heim.

Zum Erstaunen ihrer Kinder wollte Löffler nicht mehr nach Hause, wartete auf ein Einzelzimmer und fühlt sich seitdem als freiwilliger Gast dort sehr wohl. Bestens gelaunt, in sehr gepflegtem Outfit und gebückter Haltung, die von einer Wirbelsäulenverletzung herrührt, begrüßt sie den Gast, der in das mit eigenen, hellen Möbeln ausgestattete Zimmer tritt. Die Wände sind bis zur Decke mit eigenen Gemälden, vor allem Blumen und Landschaften in Aquarell sowie Acryl, dekoriert. Auf einer Staffelei steht eine Nadelmalerei in spezieller chinesischer Sticktechnik, die Löffler in ihrer Berufsausbildung als Paramentenstickerin bei der Firma Püttmann in Speyer von 1946 bis 1949 erlernt hat. Geboren wurde die Seniorin 1932 in Harthausen. Sie erlebte als Kind den Krieg. Die erschütternden, aber auch erheiternden und lebendigen Erinnerungen hat sie in ihrem dritten Buch „Kriegskind – wie das Leben so spielt“ im Eigenverlag an ihrem 86. Geburtstag im Februar 2018 herausgegeben. Ihre glänzend formulierten Texte, Illustrationen, die Auswahl der Fotos sowie das Layout des Buches hat sie am eigenen Computer erstellt, den sie mit 68 Jahren bekam und dessen Bedienung sie sich selbst beigebracht hat. Hiermit konnte sie ihre zwei zuvor entstandenen Kinderbücher „Benjamin und der Haifisch Schlotterbeck“ und „Lieschen und ihr treuer Freund Fips“ überarbeiten, die sie Jahre zuvor als handschriftliche Exemplare nur geheftet hatte. Löffler führt Tagebuch, bestellt Waren online und verfasst Mundartgedichte. Sie übersetzte für einen befreundeten Arzt ein in Sütterlin geschriebenes Kochbuch, verfasste eigene Kochbücher, die sie mit Anekdoten, Gedichten und eigenen Zeichnungen auflockerte und verzierte. „Wenn man alt ist, solle man entweder ein Instrument lernen oder eine Fremdsprache“ – das habe ihr einmal jemand empfohlen. „Ich wollte nicht den Leuten mit einem Instrument auf den Wecker gehen“, sagt sie und legt stolz die Urkunde über ihren kürzlich bestandenen Onlinekurs in Englisch vor. Glücklich erzählt Löffler, wie frei sie sich fühlt und wie froh sie ist, dass sie sich ihren Talenten und Hobbys voll und ganz widmen kann. Sie heiratete 1954 und bekam mit ihrem Mann drei Kinder, Norbert 1955, Regina 1956 und Sabine 1960. Die Zeit als Gattin, Hausfrau und Mutter empfand sie sehr einschränkend, sagt sie heute. Trotzdem habe sie sich in der Frauengemeinschaft Harthausen engagiert, Büttenreden geschrieben, Theater gespielt, Veranstaltungen moderiert, Kostüme genäht und vieles mehr. Als ihr Mann in den Vorruhestand gegangen sei, habe sie sich mit dem Führerschein die erste Möglichkeit zur Selbständigkeit geschaffen. Das Geld habe für diesen Wunsch habe sie sich im Obst- und Gemüseverkauf auf dem Wochenmarkt selbst erarbeitet. Das sei zur Dauerbeschäftigung über 15 Jahre geworden, und zwar viermal in der Woche auf dem Königs- und Berliner Platz, sagt sie. Ihre Kreativität lebe sie seit 2016 voll aus. Sie freue sich über ihre Beliebtheit bei Mitbewohnern, vertrete diese im Heimbeirat als einzige Frau und schreibe regelmäßig in der Heimzeitschrift „Salierkurier“. Sie genieße die kleine Terrasse und den Teich in „ihrem Gartenstück“, wo sie bei warmem Wetter gerne sitze, male oder die Vögel füttere. Eine verletzte Taube komme täglich an ihre Tür, um sich Futter zu holen, berichtet Löffler.

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