Speyer Kleine Katastrophen des Alltags

Knapp 150 Gäste haben am Freitagabend der ehemaligen Speyerer Lehrerin Lilo Wessel gelauscht – bei einer Lesung aus ihrem ersten Roman in der Buchhandlung „Osiander“.

Ihr Erstling „Metá – Später“ widmet sich dem Alltag im Griechenland der Jahre von 1980 bis 2000. Die 69-Jährige erzählt von ihren Erlebnissen in Kalamata – auf dem mittleren Finger der Peloponnes. Sie fand dort einen „Che Guevara im tiefsten Süden Griechenlands“ und verliebte sich in ihn. Che Guevara war ein argentinischer Revolutionär und Idol der 68er-Bewegung, und in dieser Zeit galt Griechenland als Sehnsuchtsort. Einige Jahre später kehrte sie in das Fischerdorf zurück und machte es zu ihrer zweiten Heimat. Das erste Kapitel handelt demnach von ihrer „Lebensreise“. Es umfasst mehrere Episoden ihrer Liebesgeschichte und weist deutliche autobiographische Züge auf. Die anderen Kapitel, in die sie in der eineinhalbstündigen Lesung Einblicke gibt, basieren zumeist auf Erzählungen von Bekannten. Wessel versteht den Titel „Metà – Später“ als Metapher. Es gehe ihr nicht darum, die Griechen als faul zu bezeichnen – das überlässt sie lieber anderen –, sondern darum, das Gemüt und Temperament in Worte zu fassen und die Genügsamkeit zu betonen. Es geht um die Dinge des Alltags: Kaffeetrinken, Liebe, Freiheit, einen Verkehrsunfall und Männerbegehren, das sie eindrücklich und sehr bildhaft darstellt. Es geht also um die kleinen Katastrophen des Alltags vor dem Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise, die Wessel als großen Einschnitt erlebt. Ihr Roman ist eine humorvolle und detailreiche Studie über das Leben der Manioten in Griechenland. Als Manioten werden die Einheimischen bezeichnet, deren Lebensraum bis in die 50er-Jahre hinein durch das Taygetos-Gebirge begrenzt war, wie Wessel berichtet. Wessel spricht auch über die Eigenheiten der griechischen Sprache und Probleme bei der Verständigung: „Zeigen Sie niemals einem Griechen Ihre offene Handfläche mit gespreizten Fingern!“, gibt sie dem Publikum eindringlich zu verstehen. Dabei handle es sich um eine schlimme Beleidigung, für die es im Deutschen nicht einmal eine Entsprechung gebe.

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