Speyer „Ich beziehe klar Stellung“

Der Mainzer Musikkabarettist Lars Reichow ist am Samstag, 2. Juni, 20 Uhr, bereits zum dritten Mal beim „Kulturbeutel“-Festival in Speyer zu Gast. Diesmal präsentiert Reichow sein Programm „Freiheit!“ im Alten Stadtsaal. Vorab hat Melanie Denzinger ihn gefragt, was es mit der Freiheit auf sich hat.

Herr Reichow, für Mainzer ist der Weg nach Speyer ja nicht weit. Was verbinden Sie mit der Pfalz?

Ich stamme ja aus Mainz, also – wenn man so will – aus dem rheinhessischen Teil der Pfalz. Ich war schon mehrmals in Speyer, vor einigen Jahren noch im Zirkuszelt. Gerade eben komme ich aus Gleisweiler, nicht weit von hier. Dort kann man traumhafte Wanderungen zur Trifelsblickhütte machen oder ein bisschen mit Blick auf das Rheintal am Schreibtisch sitzen. Eine tolle Gegend! Die Pfälzer haben die richtige Einstellung zum Leben. Sie haben es geschafft, ein sensibles und liebevolles Völkchen zu sein, mit Spaß an Kultur und gutem Essen. Und sie haben einen guten Einklang zwischen Leben und Arbeiten gefunden. Es tut gut, auch mal die analoge Wald-Welt zu besuchen, in aller Ruhe einen Saumagen verschwinden zu lassen und nicht nur digital unterwegs zu sein. Damit sind wir mitten im Thema Ihres Programms „Freiheit!“. Wie verschaffen Sie sich Freiheit? Es gibt in meinen Augen zwei Freiheiten: einmal die persönliche Freiheit – und die können wir ja in Deutschland sehr wohl genießen. Man darf alles machen, man darf alles sagen, man kann seinen Nachbarn verklagen – man kann es auch lassen. Typisch Deutsch. Wir können vieles genießen – nehmen Sie nur die kulturelle Vielfalt. Wir haben viele Möglichkeiten. Und das liegt vor allem an unserem politischen und wirtschaftlichen Fundament. Freiheit in meinem Programm ist zum Beispiel die Reise nach Norwegen mit dem Wohnmobil, die ein bisschen in die Hose geht. Oder ich singe ein Lied über Apps – jeder hat die Welt auf seinem Smartphone und eine App für alles. Auf der anderen Seite – und das ist auch Teil meines Programms – steht die internationale, politische Freiheit. Was tun, wenn eben keine Abstimmungsdemokratie, sondern ein Regime mit Diktator die Entscheidungen trifft? Wie viele Flüchtlinge können wir aufnehmen? Am Anfang haben wir sie euphorisch am Bahnhof begrüßt, und am Ende soll nur noch Abschiebung, Hass und Überfremdungsangst stehen? Auch darüber möchte ich mich mit dem Publikum auseinandersetzen und kritische Töne anschlagen. Ich habe versucht, mein Programm in dieser Hinsicht frisch zu halten. Seit 2014 sind Sie mit Ihrem Programm unterwegs. Was hat sich seither gewandelt? Na ja, vor allem eine Person ist neu auf der Bildfläche erschienen: ein planloser, selbstverliebter, verlogener US-Präsident. Die Welt dreht sich dank seiner Mitarbeit heute anders, es gibt gefährliche Entwicklungen. Ich möchte in meinem Programm ein Ventil für die Emotionen schaffen, die sich da im Publikum aufstauen, denn wer dafür empfänglich ist, den macht Donald Trump jeden Tag wahnsinnig. Viele Menschen glauben nicht mehr an Fakten, sondern sie laufen den Lügnern hinterher. Das beschäftigt mich. Würden Sie sich als einen politischen Menschen bezeichnen? Ja, auf jeden Fall. Seit ein paar Jahren spielt Politik in meinem Programm eine größere Rolle. In den 90er Jahren noch habe ich viele Sachen aus dem privaten Vergnügungsraum behandelt: Partnerschaft, Liebe und Kinder verschiedenen Alters. Mittlerweile spüre ich aber eine gesellschaftliche Verantwortung. Wer auf einer kabarettistischen, also politischen Bühne steht, der sollte sich auch klar positionieren. Stichwort AfD. Dazu beziehe ich klar Stellung – und muss in Kauf nehmen, dass das Thema Rechts-Nationalismus auch im Publikum sehr stark polarisiert. Auch im Kabarett gibt es Meinungsvielfalt, wir müssen nicht alle den gleichen linksliberalen Pulsschlag haben. Wichtig ist, dass wir Demokraten bleiben. Gerade in diesen Zeiten halte ich lieber den Kopf aus dem Fenster als mich zu verstecken. Früher waren Sie Lehrer. Belehren Sie das Publikum? Nein, auf keinen Fall. Auch den Lehrerberuf habe ich so nie gesehen. Ich habe ihn als Bühne gesehen, die Schüler sind sehr aufmerksame Beobachter, und sie sind ein tolles Publikum. Meine ersten, frischen Programme habe ich tatsächlich vor den Schülern gespielt, und es war total spannend, wie sie darauf reagiert haben. Ich sage immer: Ich habe die Gruppe in den Abend verlegt, damit ich morgens länger schlafen kann. Wie kamen Sie zu Ihrem Beinamen „der Klaviator“? Er ist entstanden durch ein Programm mit demselben Namen. Es war ein Monster, das im Klavierresonanzraum sitzt, und wer schlecht spielt, der wird von diesem Monster eingesaugt, So habe ich mir das vorgestellt. Das kam vielleicht auch aus der Schulzeit, da stehen die Schüler im Musikunterricht oft am Flügel und spielen den „Flohwalzer“ oder – ein wenig fortschrittlicher – „Für Elise“. Und dann habe ich mir vorgestellt, wie das Monster hervorkommt und sie sich schnappt – „der Klaviator“ eben. Später stand ich dann mal irgendwo an einem Bahnhof beim Umsteigen. Da drehte sich jemand um und sagte schmunzelnd zu mir: „Ach, der Klaviator auf Reisen.“ Dieser Beiname gefiel mir gut. Vorverkauf Eintrittskarten gibt es bei den RHEINPFALZ-Servicepunkten und beim RHEINPFALZ-Ticketservice unter der Telefonnummer 0631 37016618 sowie der Internetadresse www.rheinpfalz.de/ticket.

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