Speyer Gotteshaus im Gedicht

Sammlung von 76 Gedichten: Ausschnitt aus dem Titelbild der Neuausgabe von Wilhelm Molitors „Domliedern“.
Sammlung von 76 Gedichten: Ausschnitt aus dem Titelbild der Neuausgabe von Wilhelm Molitors »Domliedern«.

90 Jahre nach ihrer bisher letzten Auflage ist die Gedichtsammlung „Domlieder“ des früheren Speyerer Domkapitulars Wilhelm Molitor in neuer Form erschienen. Das hat die bischöfliche Pressestelle gestern mitgeteilt. Die von dem Germanisten und Historiker Bernhard Adamy herausgegebene Ausgabe enthält neben 16 Bildbeigaben auch Molitors später veröffentlichte Domgedichte.

Die 76 „Domlieder“ gelten als die ersten „modernen“ Gedichte über den Speyerer Dom. Als erste und einzige Anthologie dieser Art fassen sie laut Bistum „den Dom und seine Stadt, das mittelalterliche und das Speyer des 19. Jahrhunderts sowie die jahreszeitliche Landschaft ins Auge“. Sie beleuchteten die Architektur der Kathedrale und brächten sie als Gotteshaus in Verbindung mit den darin gefeierten christlichen Festen. In der von Speyerer Kulturstiftung sowie Aufsichts– und Dienstleistungsdirektion finanziell geförderten Neuauflage stellt Herausgeber Adamy die „Domlieder“ in einem umfangreichen essayistischen Kommentar in ihren kultur- und literaturgeschichtlichen Zusammenhang. Zu einigen der erstmals 1846 veröffentlichten Gedichte finden sich Interpretationen. Auch Molitors spätere, stärker zeitgeschichtlich geprägte Domlyrik findet Beachtung. Dem Bistum zufolge stellt Adamy vor allem den politischen Hintergrund der Dichtung differenziert dar. Sie sei weltanschaulich ambivalent und von romantischen, nationalkonservativen sowie kirchenfrommen Strömungen bestimmt. Nicht zuletzt im Vergleich mit Lyriktexten anderer Autoren werde auf diese Weise die gesamte Speyerer Domdichtung des 19. und 20. Jahrhunderts umfassend behandelt. Der Herausgeber versteht die Neuauflage der „Domlieder“ nach Bistumsangaben als Teil eines Versuchs, Molitors Werk und Persönlichkeit dem Vergessen zu entreißen. Vor zwei Jahren veröffentlichte er einen ausführlichen Aufsatz über den gebürtigen Zweibrücker (1819–1880) in der Festschrift der Speyerer Bibliothek des bischöflichen Priesterseminars St. German. Zu Molitors 200. Geburtstag im August 2019 soll eine Monografie folgen. Der Speyerer Geistliche, Jurist und Schriftsteller hatte neben seiner Dichtertätigkeit unter anderem die von 1868 bis 1879 erscheinende Tageszeitung „Die Rheinpfalz“ herausgegeben und zeitweise redaktionell geführt. Trotz der Namensgleichheit gilt sie nicht als Vorgänger der heutigen RHEINPFALZ (wir berichteten in der Ausgabe vom 7. Oktober). Molitor, dessen Grab sich auf dem Domkapitel-Friedhof im heutigen Adenauerpark befindet, gilt darüber hinaus als Finder des Boßweiler Altars aus dem 15. Jahrhundert. Seit vergangenem Juni widmet das Zweibrücker Mannlichhaus der Familie Molitor eine Dauerausstellung. Lesezeichen Wilhelm Molitor: „Domlieder“, vierte erweiterte und kommentierte Auflage, herausgegeben von Bernhard Adamy (Schriften des Diözesan-Archivs Speyer, Band 52), erschienen im Pilger-Verlag Speyer, ISBN 978-3-946777-06-9, 19,80 Euro.

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