Speyer „Gehirn ist nicht darauf ausgelegt, fehlerfrei zu sein“

«Wachenheim.» Er nennt das Gehirn einen eineinhalb Kilogramm schweren Fehler: Am Freitag, 18. Januar, kommt der Neurowissenschaftler Henning Beck für seinen Vortrag „Irren ist nützlich“ in die Wachenheimer Ludwigskapelle. Im Gespräch mit Sonja Hoffmann hat er verraten, warum gerade das Unperfekte unser Gehirn so schlau macht.

Herr Beck, die Lieder der Spice Girls aus den 90er-Jahren kann ich fehlerfrei mitsingen. Ich weiß aber nicht mehr, ob ich heute Morgen die Haustür abgeschlossen habe. Muss ich mir Sorgen machen?

Nein (lacht). Das Gehirn speichert vor allem wichtige Dinge ab, und zwar immer das, was besonders emotional ist. Und da das Abschließen der Haustür selten emotional ist, vergisst man es häufiger. Solche Routinen werden gar nicht ins Langzeitgedächtnis überführt. Bei Liedern, mit denen man eine bestimmte Emotion verbindet, ist das anders. An die kann man sich besser erinnern. Das ist normal. Solange man sich erinnern kann, dass man etwas vergisst, ist alles gut. Erst wenn man vergisst, dass man vergisst, sollte man sich Sorgen machen. Sie beschreiben das menschliche Gehirn in Ihrem Buch „Irren ist nützlich“ als etwa eineinhalb Kilogramm schweren Fehler. Ist das nicht ein bisschen hart? Nein, denn das Gehirn ist letztendlich gar nicht darauf ausgelegt, fehlerfrei zu sein. Sonst wären wir auch nicht anpassungsfähig. Was in einem Moment ein Fehler ist, kann im nächsten Moment auch der Beginn von etwas ganz Neuem und Großartigem sein. Also ist Irren tatsächlich nützlich? Genau, sogar in ganz vielen Dingen. Dass wir uns zum Beispiel nicht an alles erinnern, hilft, das Wichtige vom Unwichtigem zu unterscheiden. Stellen Sie sich vor, man würde sich an alles erinnern. Das wäre ja unfassbar aufwendig. Die Hirnregionen, die dafür zuständig sind, Erinnerungen zu verfälschen, sind dieselben, die dafür zuständig sind, Hypothesen aufzustellen und zu überlegen, was wäre wenn. Dass wir Fehler machen, ist die beste Art, sich in einer Welt, die sich ständig verändert, zurecht zu finden. Deshalb müssen wir uns diese Fähigkeit zum Unperfekten bewahren. Muss man sein Gehirn trainieren, damit es leistungsfähig bleibt? Wenn es um so etwas wie Gehirnjogging geht, zeigen Studien relativ gut, dass das Gehirn dadurch trainiert wird. Wer fleißig Kreuzworträtsel oder andere Logikrätsel löst, kann das anschließend besser. Das heißt aber nicht, dass man auch besser denken kann. Wichtiger ist, das Gehirn ganzheitlich zu aktivieren. Das geht durch Gespräche. Termin Der Vortrag „Irren ist nützlich“ ist übermorgen, 19.30 Uhr, in der Wachenheimer Ludwigskapelle. Karten: 06322 959220, www.kulturverein-wachenheim.de.

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