Speyer Es kribbelt, krabbelt und kräht

Ein seltenes Tier: Der Motorhüpfer von Thomas Mann.
Ein seltenes Tier: Der Motorhüpfer von Thomas Mann.

Zum zweiten Mal hat Kuratorin Ilse Zink Arbeiten von zeitgenössischen bildenden Künstlern aus Speyer und Umgebung für eine themenbezogene Ausstellung in den Räumen des Kunstvereins der Stadt ausgewählt. Heute um 19 Uhr ist die Vernissage.

Das Konzept besticht durch die subjektive Betrachtung, die Vielfalt verspricht. Unter dem Titel „Lebewesen“ hat sich Zink für entsprechende Bilder und Fotografien von acht heimischen Künstlern entschieden. Gefühlt kribbelt und krabbelt, bellt, piepst und kräht es ab heute überall von den Wänden des Kulturvereins. Dabei ist es einerlei, ob es sich um Fantasiegeschöpfe wie bei Thomas Mann, Puppen wie bei Gisela Desuki oder reales Getier handelt, das Magdalena Hochgesang, Susanne Lorenz oder Christine Weinmüller auf die Leinwand gebracht haben. Der Künstler „Buja“, erst vor kurzem in Dudenhofen ansässig geworden, kombiniert Figuren und Gegenstände in großen Formaten. Viel Dynamik spricht aus seinen künstlerisch eindrucksvoll und plakativ eingesetzten und versprühten Banalitäten. Sie habe den Fokus nicht auf gefällige Arbeiten gelegt, betont Zink. Insekten, Spinnen oder Ratten teilten sich den Kulturraum der Stadt und formten ihn, ist sie überzeugt. Lorenz hat solche Mehrbeiner ungeschönt und intuitiv abgebildet, um ihre Gleichwertigkeit mit allen Lebewesen heraus zu stellen. „Wir sägen ständig an dem Ast, auf dem wir sitzen“, kritisiert sie den Umgang mit dem, was vordergründig „eklig“ ist. Für Thomas Mann ist das der Moment für das Surreale. Sein „Klappfüßler“ mit den Beinen einer Schlagzeughalterung erinnert unweigerlich an Franz Kafkas „Verwandlung“. Andere Mischwesen wie „Megasus“ sind ebenfalls aus der digitalen, mit Filtern überlagerten Malerei des Künstlers entstanden. Desuki startet im Kunstverein mit fünf Arbeiten ihr neues Fotoprojekt „Photografic Novels“. Mit lebensechter Akupunktur-Puppe erzählt die Künstlerin Geschichten über das von ihr erwartete künftige Sein in einer kalten Welt. Als malerische Erzählerin erlebter oder angelesener Begebenheiten präsentiert sich Karin Germeyer-Kihm mit fünf Arbeiten über Menschen, ohne sie zu porträtieren. „Herbstzeitlose“ zeigt eindrucksvoll die Vergänglichkeit auf. Mit Endlichkeit beschäftigt sich Andrea Niessen konkret. Ihre Reihe „Heaven I bis III“ ist eine im Wortsinn haarige Angelegenheit. Die Grundlage für sichtbare Auflösung hat die Künstlerin in Seniorenheimen und bei Friseuren gesucht und eindrucksvoll verarbeitet. Entstanden sind drei begehbare Objekte, aus zusammengeleimtem menschlichem Haar. Kraftvoll pigmentiert, erblassend und weiß. Innerhalb der alternden Objekte empfindet der Betrachter seinen eigenen beständigen Auflösungsprozess ganz unmittelbar. Weinmüller wendet sich dem Hier und Jetzt im Tier zu. Ihre eigenen Hunde, mutige Gänse und stolze Zebras erfüllen die Leinwände der Künstlerin mit positiver Energie. Auch in Hochgesangs Bildern geht es tierisch zu. Hunde, „Gockel I und II“, Raupe mit Frauenakt, Pusteblumen und Fliegenpilz dominieren das sehr lebendige Schaffen der Künstlerin. Wie Lorenz geht es ihr um die Gleichwertigkeit von Mensch und Tier. Ein Grund für die Ausstellungsreihe sei das starke Bedürfnis stärkerer Vernetzung zwischen Kunstverein und Künstlern der Region, erklärt Zink. Der Erfolg der Premiere 2017 unter dem Titel „Landschaft“ habe das bestätigt. Der Kuratorin ist mit „Lebewesen“ eine anspruchsvolle und vielschichtige Ausstellung gelungen. Ausstellung „Lebewesen – Aus Speyerer Ateliers“. Zu sehen bis 28. April beim Speyerer Kunstvereins, Flachsgasse 3, Donnerstag bis Sonntag von 11 bis 18 Uhr. Eröffnung heute, 19 Uhr. Einführung: Maria Leitmeyer. Hermine Pfaud wird, so der Vorsitzende Klaus Fresenius, bei dieser Gelegenheit für ihr langjähriges ehrenamtliches Engagement zum Ehrenmitglied ernannt.

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