Speyer Doch kein Buschwindröschen

Im Zeichen der Mahnung: eine Lithographie von Klaus Zwick, die brennende Synagoge in Speyer zeigend.
Im Zeichen der Mahnung: eine Lithographie von Klaus Zwick, die brennende Synagoge in Speyer zeigend.

Ereignisse, Fundstücke und Dokumente aus den Jahren 1933 bis 1942 bilden die Grundlage für die Ausstellung „Memento“, die morgen in der Städtischen Galerie beginnt. Der in Speyer aufgewachsene und in Bremen lebende Künstler Klaus Zwick erinnert in Lithographien und Installationen an die Geschichte(n) der Opfer des NS-Regimes in Speyer.

Als Klaus Zwick 2003 auf einem Flohmarkt in Ostfriesland auf ein altes Herbarium stieß und es für 120 Euro kaufte, ahnte er noch nicht, welche Aufgabe ihm die 84 Blätter umfassende Sammlung auferlegen würde. Das Schwede Lennart Larsson hatte zwischen 1935 und 1938 die Fundstücke zusammengetragen und für jede Pflanze den wissenschaftlichen Namen, Fundort und Datum notiert. Am 24. Juni 1936 fand Larsson offenbar eine kleine Wildrose (Rosa Canina) und fügte sie seiner Sammlung hinzu. Beim Durchsehen des Konvoluts fiel Zwick dieses Blatt sofort ins Auge: Seine Mutter hatte an genau diesem Tag ihren 13. Geburtstag gefeiert. Am 24. Juni 1936 hatte auch ein anderes Mädchen Geburtstag gehabt. Zwei Monate später wurde die ebenfalls erst 13-jährige Kunigunde H. im Bayreuther Krankenhaus zwangssterilisiert. Darauf war Zwick bei seiner Recherche zu diesem Datum gestoßen. Angefacht von dieser ersten, sehr persönlichen Verknüpfung, begann der Künstler alle im Herbarium vermerkten Funddaten mit Ereignissen in Nazideutschland abzugleichen. Dem Sammeln und Katalogisieren von Halmen und Blüten stellt Zwick die Demütigung, Entwurzelung und Vernichtung von Menschen in Deutschland gegenüber. Mit den botanischen Namen nimmt er es nicht so genau: Kein Buschwindröschen wurde am Geburtstag seiner Mutter botanisiert, sondern eine Hundsrose. So ist das Herbarium lediglich ein konzeptuelles Vehikel zur Beschäftigung mit den Jahren 1935 bis 1938. 20 Gegenüberstellungen dieser Art sind in der Ausstellung zu sehen. Auf diese hat sich Zwick drei Jahre vorbereiten können: Und so ist ein Großteil der Arbeiten dem Schicksal der Speyerer Juden gewidmet. Die 89 Namen der jüdischen Opfer der NS-Zeit hatte die ehemalige Stadtarchivarin Katrin Hopstock zusammengetragen. Mit den Namenszügen der Vernichteten füllt Zwick die Wände eines Raumes. Eine schwarze Sammelmappe sowie eine schwarze Granittafel mit einem Zitat von William Faulkner komplettieren die Installation „Namen“ von 2017. Daten, Namen, Fotodokumente – das sind die Mittel, die Zwick zur Verdeutlichung der NS-Geschichte heranzieht, die immer noch oder schon wieder schwer zu thematisieren scheint. Persönlich und lebendig werden Zwicks Arbeiten erst durch die Erzählungen, mit denen er sie sehr eloquent erläutert. Eine 16-teilige Arbeit zeigt ein gigantisch vergrößertes Zeitungsfoto der brennenden Synagoge in Speyer (siehe links). Eine lange Geschichte erzählen auch die Objekte zur Arbeit „Hommage an Rolf Meyerheim“. Hier ergreift Zwick selbst das Wort: In einem mehrseitigen Text erfahren wir, wie er als damals in Berlin lebender Grafiker Ende der 1980er-Jahre einige Zeichnungen für eine Ausstellung nach Heidelberg schickte. Im Anschluss daran habe ihm ein älterer Herr geschrieben, der seine Zeichnung unbedingt haben wollte. Immer wieder kaufte Rolf Meyerheim in der Folge Werke des Künstlers. Im Gegenzug ließ Zwick später die abenteuerliche Lebensgeschichte des jüdischen Juristen Meyerheim recherchieren, der als junger Mann nach Südamerika emigriert war, dort Rinderzüchter wurde und als alter Mann nach Deutschland zurückkehrte. Termin Zu sehen in der Städtischen Galerie, Kulturhof Flachsgasse, bis 28. April, Donnerstag bis Sonntag 11 bis 18 Uhr. Vernissage ist morgen, 11 Uhr. Begrüßung: Stefanie Seiler, Einführung: Hans-Jürgen Herschel.

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